Damals beim Väter-Summit

Kurz vor Pandemiebeginn war ich als sogenanntes Role Model auf ein gelobtes wie kritisiertes „Gipfeltreffen“ von und mit Vätern geladen. Ich nahm schon aus Recherchegründen gerne teil. Anlässlich des „Equal Care Day 2022“ hier ein Outtake namens „Die Ausgangslage“ aus meinem ersten Buch „Väter können das auch!“.

Die unfreiwillige Komik dieses Bildes fiel mir damals gar nicht auf: Ich (neben Steffen Welsch / Tandemploy GmbH), mit Blick ins Leere, vor einem Plakat des absurden Preises „Spitzenvater des Jahres“. (Foto: Väter gGmbh)

Berlin, 31. Januar 2020. Endlich mal eine Veranstaltung, auf der 75 Prozent Männeranteil nicht bedrohlich und überholt wirken: Auf dem zweiten »Väter-Summit« treffen in der Hertie School rund 200 Väter und ein paar Mütter, Arbeitnehmer*innen, HR-Chefs, Gleichstellungsbeauftragte und Politiker*innen aufeinander. Wirklich modern und jung wirken hier die Wenigsten. Sie sehen nicht aus wie die Väter, die man in Berlin-Kreuzberg unter der Woche auf dem Spielplatz trifft – sondern, mit Halbglatze und Hemd in der Hose, wie der deutsche Durchschnittspapa. Organisiert wird der »Väter-Gipfel« – mit einer Konferenz oder einem Netzwerktreff allein sind Männer mutmaßlich nicht zu locken – von der »Väter gGmbH«, einer Firma, die seit 20 Jahren große Unternehmen wie SAP, Axel Springer, Commerzbank, ThyssenKrupp, Vodafone, Otto und Ergo berät und mit ihnen Väternetzwerke aufbaut. Unter dem Motto »Gemeinsam für mehr Vereinbarkeit!« geht es in Podiumsdiskussionen, Expert*innenimpulsen und Tischgesprächen mit Fachleuten und sogenannten »Role Models« einen Tag lang um aktuelle Arbeitszeit-, Vereinbarkeits-, Partnerschafts- und Erziehungsthemen, konkret etwa um New Work, Karriere in Teilzeit, Kinderbetreuung und mobiles Arbeiten sowie um damit einhergehende Hürden und Chancen. Apropos: Eine Kinderbetreuung gibt es an jenem Freitag auch vor Ort, damit die Mamas nicht wieder nach der Schule oder der Kita springen müssen, damit Papa über sein Vatersein reden kann – ironischerweise angeboten von einer Firma namens »Die Notfallmamas«.

Caption this! Die damalige Familienministerin Franziska Giffey beim Väter-Summit 2020 (Foto: Väter gGmbH)

»Vereinbarkeit geht nicht ohne die Väter« (Franziska Giffey)

Ein Drittel der Teilnehmer*innen des »Väter-Summit« arbeitet bereits in Teilzeit, wie Gründer und Geschäftsführer Volker Baisch zu Beginn erklärt, zwei Drittel aber seien noch unzufrieden mit ihrem Arbeitszeitmodell. Die damalige Bundesfamilienministerin und Schirmherrin Franziska Giffey sagt in ihrer Eröffnungsrede unter anderem das, was sie später auch auf Facebook und Instagram posten wird: »Eine gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf geht nicht ohne die Väter. Das traditionelle Modell des männlichen Haupt- oder Alleinverdieners entspricht nicht mehr den Lebensvorstellungen vieler Väter und Mütter in Deutschland. Väter wünschen sich mehr Zeit für ihre Familie und Mütter möchten in größerem Umfang erwerbstätig sein. Deshalb ist es wichtig, dass auch immer mehr Unternehmen ihre familienfreundlichen Angebote an Väter richten und Lebenssituationen stärker berücksichtigen. Aktive Väter sind ein Gewinn – für Kinder, Mütter, Wirtschaft und Gesellschaft.«

Obwohl mir der Begriff suspekt ist, bin ich eines der geladenen »Role Models« – und diskutiere vor Ort mit Interessierten über »Karriere in Teilzeit« und die Frage: Wie kann ich reduziert arbeiten, ohne befürchten zu müssen, beruflich aufs Abstellgleis zu geraten? Als Journalist leite ich hauptberuflich die Online-Redaktion vom Musikexpress, eines der letzten existierenden Popmagazine Deutschlands; seit Oktober 2017 mache ich das in Teilzeit. 2013 gründete ich mit newkidandtheblog.de einen der ersten von Vätern betriebenen deutschen Elternblogs. Ich werde als Talkgast zu YouTube-Formaten über Vasektomie, zu Eltern-Podcasts und zu Gesprächsrunden über »Mental Load aus Männersicht« geladen. Ich mache nichts Besonderes: Ich schreibe und spreche über die Eltern- und Gesellschaftsthemen, die ich selbst erlebe und als wichtig (oder witzig) erachte. Weil ich ein Mann bin, ist das leider trotzdem etwas Außergewöhnliches. Das zeigt auch eine Statistik unter deutschen Vätern.

Überwiegend Männer da, aber nicht nur – und laut Veranstalter Volker Baisch (Reihe 1, Mitte) viele „Pioniere und Trendsetter“: Gruppenfoto vom Väter-Summit 2020. Für Aufregung sorgte ein anderes. (Foto: Väter gGmbH)

Vor zehn Jahren wünschten sich nur drei Prozent der Väter mehr Zeit für ihre Familie, zum Beispiel durch Teilzeitarbeit, während es heute 30 Prozent sind. Klingt gut? Von wegen: Das heißt erstens, dass 70 Prozent aller Väter noch immer Vollzeit-Malocher sind mit mindestens 38 Stunden pro Woche. Zweitens arbeiten aktuell nur rund sechs Prozent der Väter wirklich in Teilzeit. Die Elternzeit hat ebenfalls zugenommen: Unter anderem als Folge der Einführung des Elterngeldes gehen heute 37,5 Prozent der deutschen Väter in Elternzeit, übrigens »sogar« mit einer Durchschnittszeit von 3,8 Monaten und damit länger als nur die obligatorischen zwei Monate, die es mindestens braucht, um Geld zu bekommen. Eine fraglos positive Entwicklung – der aber trotzdem noch 62,5 Prozent gegenüberstehen, die gar keine Elternzeit nehmen. 

Es muss viel mehr passieren, damit Eltern in Deutschland eines Tages tatsächlich gleichberechtigt erziehen und arbeiten können. Wir müssen auch abseits des „Equal Care Day“ über Privilegien, Rollenbilder, Mental Load, Financial Load, Care-Arbeit, Arbeitszeitmodelle, Kinderbetreuung, Gender Pay Gap, Gender Care Gap, Einschnitte durch die Coronakrise, Männlichkeit, Mental Health und die Tücken unserer Sprache reden. Am besten gemeinsam und inklusiv, notfalls aber auch mal exklusiv unter Vätern wie beim »Väter-Summit«*. Weil / So lange es leider noch immer Kerle gibt, die lieber mit anderen Kerlen quatschen. Unter anderem deshalb habe ich mein Buch »Väter können das auch!« geschrieben. Es erscheint am 21. März 2022 im Kösel-Verlag / Penguin Random House. Am selben Tag lese ich bei der Buchpremiere im Pfefferberg Theater in Berlin Prenzlauer Berg daraus vor.

*Jochen König sieht das anders. Anlass für seine teilweise berechtigte Aufregung war ein Gruppenfoto, auf dem fast ausschließlich Männer zu sehen waren. Als Teilnehmer weiß ich: Es waren relativ viele Frauen vor Ort, zur Aufnahmezeit des Fotos aber nicht mehr. Aus welchen Gründen, darüber wiederum könnte ich nur spekulieren. Die einzige auf dem Foto anwesende Frau Patricia Cammarata hatte auf ihrem Blog auf Königs Kritik reagiert.

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