Deine Freunde im Interview: „Wenn unsere Fans Teenies werden, lassen wir sie gerne ziehen“

Flo, Lukas und Pauli von Deine Freunde im ausführlichen Gespräch über Kinder- und Erwachsenenmusik, ihre leider verworfene Bandnamensidee, Features mit DJ Bobo und Fettes Brot, eine Live-Reunion von Echt, einen unveröffentlichten Song, wegen dem sie „auf der Stelle gecancelt“ werden würden – und über ihr neues Hörspiel „Tür zu, es zieht“.

Das Bild im Bild im Bild hängt schief: Lukas, Pauli und Flo sind Deine Freunde (Foto: Michi Schunck)

Seit ihrem ersten Hit „Schokolade“ ist die Band Deine Freunde in aller, äh, Munde. Zum Glück: Bis zu ihrer Gründung im Jahr 2012 traute sich niemand an diese Mischung aus gut produziertem HipHop mit kinderfreundlichem Wortwitz, der auch Eltern gefällt, die früher gerne Deichkind oder Fettes Brot hörten. Deren Live-DJ Markus Pauli produziert heute die Beats für Deine Freunde, auch die anderen zwei sind keine Unbekannten: Rapper Florian „Flo“ Sump wurde in den späten Neunzigern als Schlagzeuger der Teenieband Echt berühmt, Sänger Lukas Nimschek, der seit seiner Hochzeit 2018 eigentlich Lukas Habermann heißt, moderierte mal den Tigerenten-Club. 2020 waren Flo und Lukas Teil der Jury von „The Voice Kids“.

Ihr aktuelles, im Mai 2023 erschienenes Album heißt „ordentlich durcheinander“, ihr im Februar 2024 gestarteter Familien-Podcast ebenfalls. Jetzt haben Deine Freunde ein Hörspiel namens „Tür zu, es zieht“ veröffentlicht, das wie ihre Musik ebenfalls Kinder und Eltern gemeinsam hören können. Unjournalistische, weil distanzlose Hörempfehlung an dieser Stelle: Ich habe es mit meinen Söhnen auf einer längeren Autofahrt zumindest so gemacht – als mir willkommene Alternative zu „Radio Teddy“ und den dort rotierenden Mark Forsters und Lenas dieses Landes – und wir alle haben uns stellenweise schlappgelacht. Worum es geht? 

Die 13-jährige Romy schmeißt unter dem Namen „Hausenheim Hood News“ einen Podcast, in dem sie Gerüchten und Neuigkeiten in ihrer Kleinstadt nachgeht. Leider passiert dort nicht so viel – bis der gierige Unternehmer (und Bösewicht) Dr. Degenhardt Dämmerich ein verlassenes Schulgebäude kaufen will und seine Marktmacht auch gegenüber dem Bürgermeister missbraucht. Romy kriegt Wind davon, lernt Erzieher Flo, den erfolglosen Musiker Lukas und deren Kumpel Pauli kennen, und gemeinsam machen sie auf dem Dachboden der alten Schule eine gruselige Entdeckung der anderen Art – eine Tür, aus der es zieht, eröffnet ihnen den exklusiven Eintritt ins „Kinderlalaland“. Gleichzeitig muss sich Romy mit irdischeren Problemen in ihrer Patchworkfamilie Watt-Thießen-Fidan, kurz „WTF” – bestehend aus ihrer Mutter Almuth, die selbst Reporterin ist, deren neuer Frau Heike, Psychologin, Romys Vater Said, der Ex von Almuth und Romys achtjährigem Bruder Henning – herumschlagen. Ob ich als Erwachsener alles verstanden habe, fragt Lukas mich im Vorfeld des folgenden Gesprächs. Wahrheitsgemäß antworte ich: „Nein. Im Lalaland fragte ich mich, auf welchem Trip Ihr da seid und ob trotz anwesender Kinder Drogen im Spiel waren.“ Seine Reaktion: „Da war Fantasie anwesend, die bekanntlich manchmal härter als jede Droge ist.“ Mein jüngerer Sohn, der mit Halluzinogenen erst recht noch nix am Hut hat, urteilte im Nachgang übrigens noch, dass er die erste Folge besser als die zweite fand, weil darin irgendwie „nicht mehr so viel passiert“ sei. 

Darüber – also über dieses Hörspiel, über Drogen nur am Rande – habe ich mit Flo, Pauli und Lukas exklusiv für newkidandtheblog.de gesprochen. Das doppelt Schöne daran: Ohne externen Auftraggeber bin ich an keinerlei Vorgaben wie etwa Maximallängen gebunden. Nehmt Euch also Zeit für die folgende Lektüre, es könnte sich lohnen. Wir sprachen nämlich auch über die konkurrenzlose Gründung von Deine Freunde, ihre Verbundenheit zu Fettes Brot, die sich 2023 nach 30 Jahren auflösten, ein Wunsch-Feature mit DJ Bobo, Songs ihres nächsten Albums, Selbstbefriedigungs-Sprüche im Pool vor laufender Kamera, eine Live-Reunion von Echt, Kontrollinstanz Rolf Zuckowski, eine Deine-Freunde-Textzeile, die Flo heute bereut und anders schreiben würde und über einen Song, der nie das Licht der Öffentlichkeit erblicken darf, „weil wir sonst gecancelt werden würden.“

Deine Freunde im Interview: „Für Skandale sind wir zu langweilig“

Dem jungen Mann ganz links wird manchmal eine Ähnlichkeit zu Jürgen Klopp nachgesagt: Pauli, Lukas und Flo sind Deine Freunde ( Foto: Michi Schunck)

Als Deutschlands erste „gute“ Kinderband bringt Ihr es mittlerweile auf acht Alben, ausverkaufte Tourneen und einen eigenen Podcast. Warum braucht es jetzt noch ein Hörspiel? Zum Ausbau Eurer Marktführerschaft?

Flo: Das Imperium muss wachsen!

Lukas: Nach zwölf Jahren fragen wir uns: Wie können wir das, was wir am liebsten machen – die Musik – für immer tun? Das Hörspiel ist für uns eine Zeitkapsel. Unsere Stimmen werden wohl fortan so bleiben wie sie sind, und damit könnten wir eines Tages auch ein Hörspiel als Deine Opis aufnehmen. Wir planen unseren Bühnenabschied noch nicht. Wir verstehen uns aber so gut, dass wir uns vorstellen können, auch mit 70 noch was zusammen machen zu wollen. Vielleicht ist es das Hörspiel und die Band darin macht unsere Musik, so dass wir selbst nicht mehr müssen.

Wollt Ihr mit Eurem Publikum älter werden oder immer wieder neue junge Leute erreichen?

Lukas: Wir wollen in dem Alter bleiben, in dem wir uns jetzt bewegen. Unsere Fans sind zwischen sechs und zwölf Jahre alt. Mit denen sind wir glücklich. In dieser Zeit wird die Fantasie doll geprägt. Man macht erste Erfahrungen mit Popkultur. Wir finden es cool, dass wir bei einigen für die ersten Musikerfahrungen stehen – und vielleicht jetzt ja auch Geschichtenerfahrungen. 

Pauli: Unsere ersten zwei Alben sprechen jüngere Kinder an. Danach korrigierten wir uns ein bisschen hoch.

Flo: Wenn wir Musik machen, haben wir das aber null im Hinterkopf. Und wenn sie Teenies werden, lassen wir sie gerne ziehen. 

Was war Euch neben Spannung, Humor, einem bisschen Kapitalismuskritik und offenbar auch selbstverständlicher Diversität wichtig beim Drehbuch? 

Lukas: Langfristig ist es wie bei unserer Musik: Wir wollen Familienkonflikte in unterhaltsame Geschichten packen und dazu beitragen, dass man die zuhause einfach lösen und gemeinsam schmunzeln kann. Die Hörspiel-Familie wird in den kommenden Folgen noch all das durch machen, was auch jede andere ganz normale Familie durchmacht. Sie werden neidisch aufeinander sein. Es wird Kommunikationsschwierigkeiten und Generationenkonflikte geben. Unser Ziel war und ist eine Mischung aus Retrofeeling, klassischem Hörspiel mit echtem Bösewicht und teilweise entschleunigtem Erzähltempo – und Story und Szenen, die wir selber lustig finden. Wir wollen nichts extra Wokes machen, sondern zeigen, wie wir die Welt gerade sehen und wie wir uns gewünscht hätten, als Kinder Hörspiele zu hören.

Warum habt Ihr nur die zwei ersten Folgen statt alle am Stück veröffentlicht, wie wir es aus dem Streaming-Zeitalter kennen? Bis 2025 wird die Spannung kaum anhalten, sondern der Inhalt wieder vergessen sein.

Lukas: Die traurige Wahrheit lautet: Wir haben erst zwei Folgen aufgenommen. Die Produktion dauert. Wir arbeiten mit unterschiedlichen Autoren zusammen, haben viel Herzblut reingesteckt und schaffen nicht mehr als eine Folge in einem halben Jahr.

Ihr hättet warten können, bis alle Folgen produziert sind.

Pauli: Wieso? Wir bringen ja auch nicht sieben Alben auf einmal raus. 

Aber auch nicht nur einzelne Songs.

Lukas: Das wiederum tun wir nicht, weil wir aktuell auch noch ein paar CDs verkaufen.

Pauli: Die drei Fragezeichen bringen auch nicht alle Folgen gleichzeitig heraus. Wir wollen dieses Hörspiel über eine lange Zeit machen. 

Lukas: Vielleicht ist die Geschichte nach sechs bis acht Folgen abgeschlossen. Dann gucken wir, wie es funktioniert hat. Bis dahin läuft das Hörspiel jetzt so mit. 

Flo: Wir entscheiden nicht nach Ergebnissen von Algorithmen. Ginge es danach, dürften wir nur 20-sekündige Minigeschichten erzählen, weil die Kinder angeblich keine längere Aufmerksamkeitsspanne mehr haben. Dagegen schwimmen wir an und freuen uns, wenn wir Gegenbeweise liefern. Und hey: Um den Hörerinnen und Hörern einen Gefallen zu tun, haben wir den aufgenommenen Cliffhanger am Ende von Folge 2 wieder rausgenommen! Um die bisherige Geschichte erstmal abzurunden. 

Du bist das einzige Bandmitglied, Flo, das selbst Kinder hat. Wie gefällt ihnen das Hörspiel?

Meine Tochter hört es täglich beim Einschlafen, und das nicht, um mir einen Gefallen zu tun. So wie meine Kinder grundsätzlich gar nichts tun, um mir einen Gefallen zu tun! Das war ein gutes Zeichen, als ich an ihrem Zimmer vorbeiging und hörte, wie sie den „Katzenragout“-Jingle aus dem Hörspiel vor sich hersingt! 

Lukas: Sie dachte aber auch, dass Du als Erzieher wie in der Geschichte wirklich aus der Kita gefeuert wurdest…

Flo: Sie sind 8 und 6. Ich muss schon noch erklären, dass uns diese Geschichten nicht selbst passiert sind, sondern wir sie uns ausgedacht haben. 

Wisst Ihr als Kinderband, Elternteile, Erzieher und ehemalige Kinder-TV-Moderatoren grundsätzlich besser als andere, worauf Kinder stehen?

Flo: Wir wissen nicht in jeder Situation, worauf Kinder stehen. Aber wir wissen, dass ihre Interessen von vielen Erwachsenen zu reduziert eingeschätzt werden. Das haben wir zum Beispiel gemerkt, als wir uns das erste Mal getraut haben, Lieder zu schreiben, die nicht aus Kinderperspektive erzählt werden. Auch Absurderes interessiert sie! Grundsätzlich gilt: Es muss keine Kindermusik geben. Musik ist Musik. Aber wir haben Spaß daran, in unsere eigene Kindheit zu gehen. Was hat uns damals umgetrieben? Welche Familiendynamiken gab es oder Sprüche der Eltern, die heute immer noch gesagt werden?

Lukas: Im Vorfeld des Hörspiels wurde uns geraten: „Ihr müsst in der Geschichte selber zehn Jahre alt sein!“ Darauf hatten wir keine Lust. Wir sprechen lieber junge Erwachsene, um das Musikbusiness mit zu erzählen. Und ey, eine der erfolgreichste Kinderfiguren ist Elsa die Eiskönigin. Wie alt ist sie, 40? 

Wie kommst Du darauf?

Lukas: Sie hat eine jüngere Schwester, die schon heiratet und müsste demnach, wenn wir nicht von Kinderehen sprechen müssen, mindestens 21 sein. Mein Punkt ist: Viele Redaktionen und Buchverlage haben in Deutschland eine limitierte Sicht darauf, was funktioniert. Da geht es um einen Zehnjährigen mit Skateboard unterm Arm und ein Mädchen, das in der Schule gut ankommen will. Dazwischen kommt nicht viel. Aber wir glauben, dass Kinder sich für viel mehr interessieren. 

Wer als Erwachsener anderen Eltern Deine Freunde erklärt, sagt oft „wie Deichkind für Kinder“ oder „wie Fettes Brot“ für Kinder. Ist das Euer sogenannter USP, Euer Alleinstellungsmerkmal, dass Ihr generationsübergreifend ankommt?

Pauli: Wir haben bei den Konzerten irgendwann mitbekommen, dass die Eltern uns nicht den Rücken zudrehen, sondern mitmachen. 

Flo: Sie als Teil unseres Publikums zu begreifen, hat trotzdem gedauert. Es gab keinen Masterplan.

Ihr könnt diese Zielgruppe gut gebrauchen, weil deren Kinder noch nicht allein Konzerte besuchen dürfen. So gesehen wäre Eure ursprüngliche Bandnamensidee auch eine passende gewesen: Ihr wolltet Euch Die Rolf Zuckopfnicks nennen.

Lukas: Wir fragten Rolf Zuckowski, er hätte es nicht verboten, fand es aber nicht so cool. „Denkt Euch doch mal was Besseres aus“, sagte er.

Es gibt Punkbands namens Shitney Beers.

Pauli: Im realen HipHop gab es das ganz oft. Das Bo hatte tausend Namen.

Flo: Oder Ferris als Marilyn Mongo. 

Ginge heute auch nicht mehr. Dennoch: Habt Ihr Deine Freunde gegründet, weil Kindermusik bis dahin oft langweilig oder gar grenzdebil daherkam? 

Flo: In meinem Job kam sie mir manchmal so vor. Es war nicht alles schlecht und anstrengend. Aber wahnsinnig limitiert. Ich habe als Erzieher in verschiedenen Einrichtungen gearbeitet, und überall lagen die fünf gleichen CDs herum. Aus drei Jahrzehnten. Es gab viel zu wenig für Kinder. Wir schielten damals trotzdem nicht auf die anderen. Wir hatten Bock, die Musik so zu machen, wie wir sie selbst als Kinder gerne gehört hätten und so, dass sie auch unserem Geschmack als erwachsene Menschen entspricht. 

Neben Euch gibt es heute ähnlich „coole“ Acts wie Dikka und (wie damals schon) Bürger Lars Dietrich oder die Samplerreihe „Unter meinem Bett“, auf der sich regelmäßig deutschsprachige Indiekünstler*innen an Songs für Kinder versuchen.

Lukas: In den letzten fünf Jahren ist viel passiert. Anfangs wunderten wir uns, warum das neben uns kein anderer macht. 

Pauli: Früher ernteten wir fragende Gesichter. Für die anderen credibilen Rapper wäre das damals gar kein Thema gewesen. Dafür waren sie zu real. Inzwischen gibt es diverse andere Rapper, die Kindermusik machen. Es ist ein neues Genre geworden.

Und ein Markt, in dem noch was zu holen ist.

Lukas: Diese Absicht ist uns unterstellt worden. „Cooler Marketingmove!“, hieß es von manchen Labels etwa. Es stimmt, dass wir schnell einen Plattenvertrag hatten. Durch Hilfe von Rolf Zuckowski. Offenbar machten wir was Erzählenswertes. 

Wegen Euch singen Kinder wieder Lieder von Die Prinzen, Ihr hattet mit ihnen deren 90er-Hit „Alles nur geklaut“ neu aufgenommen. Im Hörspiel spricht König Boris von Fettes Brot König Kloris. In Euren Lyrics droppt Ihr zudem Zitate von Falco, „Macarena“ und Co. Ist das Bock, Zielgruppenansprache und Elterngruß oder Heldenbedankung?

Lukas: Boris ist ganz einfach Paulis bester Freund. 

Pauli: Wir haben neun Jahre zusammengewohnt, er, seine Schwester und ich. 

Flo: Für mich war er ein Held. 

Pauli: Ich habe früher auch „Nordisch By Nature“ gehört und die Jungs von Fettes Brot danach kennengelernt. Klar war das ein Mindblow, als ich plötzlich ihr DJ wurde. Wir wuchsen zusammen. Und Boris hatte nun Bock, eine Hörspielrolle zu sprechen. 

Lukas: Bei solchen Überlegungen wildern wir immer zuerst in unserem Bekanntenkreis herum. Es geht nicht ums Namedropping und fette Features.

So wie es viele andere Rapper tun oder deren Labels, siehe etwa Bausas Stormzy-Feature, um den britischen Markt zu knacken und umgekehrt.

Lukas: Oder Helene Fischer und Shirin David.

Pauli: Oder andere Kindermusiker. Aber so sind wir nicht und waren wir nie. Wieso sollten wir ein Featurealbum machen, wenn wir mit den Gästen eh nicht live auftreten können?

Flo: Wir haben es uns erarbeitet, Musik zusammen zu produzieren, die wir relativ unkompliziert, ohne zigtausend Absprachen, veröffentlichen können. Innerhalb der Blase von uns dreien und unserem zweiköpfigen Management entsteht alles, was wir uns ausdenken. Wir lieben dieses Gefühl von Freiheit, keinen Rattenschwanz an Leuten hinter uns herzuziehen. 

Kleiner Vorzug meiner eigentlich letzten Frage, die von meinem Sohn stammt, weil Du Lukas sofort los musst: Wie heißt Euer nächster neuer Song?

Lukas: Wir haben tatsächlich gerade mit der Arbeit an einem neuen Album begonnen…

Pauli: … und haben in unserem letzten Kreativurlaub einen Song namens „Siehste“ geschrieben, der ist noch nicht ganz fertig, aber vielleicht wird er das als nächstes. 

Lukas: Und wir arbeiten gerade an einem Song über Schluckauf, ich glaube, der schafft es auf jeden Fall aufs neue Album! 

(Lukas verabschiedet sich, er muss zum Zug)

Nochmal zu den Features: Du, Flo, warst Ende der 90er als Schlagzeuger von Echt bereits sehr erfolgreich. Gibt es aus dieser Zeit keine alten Bekannten, die Deine Freunde gut stehen könnten?

Flo: Ich erinnere mich zum Beispiel an DJ Bobo. Ein super netter Typ. Zu Echt-Zeiten hat er sich uns mal vorgestellt, auf ein Konzert eingeladen und in Schwizer Dütsch gesagt: „Meine Show ist nicht was für die Ohren, aber für die Augen!“ Vor ein paar Jahren haben wir ihn dann mit Deine Freunde mal angeschrieben. Wir wollten, dass er in unserem Lied „Hausaufgaben“ immer nur das eine Wort „Hausaufgaben“ in seinem typischen Tonfall sagt. Er war auf Welttournee und hatte leider keine Zeit.

Pauli: Aber ein DJ-Bobo-Remix wäre auch mal geil!

Apropos 90er: Crossover-Produzentenlegende Rick Rubin sagte mal, dass Kunst nur dann gut sei, wenn sie wie ein Tagebuch zuerst für sich selbst gemacht sei, nicht für andere. Und wenn sie dir gefällt, werden andere bemerken, dass sie gut ist. Wie sieht das bei einer Kinderband aus? Ihr müsst doch schon sehr darauf achten, ob ein Song „funktioniert“ für Kinder, oder?

Pauli: Es stimmt, dass das etwas anderes bei uns ist. Wobei wir die Musik auch erst dann veröffentlichen, wenn sie uns gefällt. Wir wollen uns selbst damit begeistern.

Flo: Zu einem Lied wie „Fontanelle“ zum Beispiel, über die weiche Stelle am Babykopf, hätte uns niemand von außen aufgefordert! Das entspricht unserem bandinternen, leicht absurden Humor. Wenn wir an einer Grundidee arbeiten, uns zu dritt schlapplachen, uns wie Kinder aufführen und unsere eigene angebliche Genialität feiern, dann merken wir, dass eine Idee uns tief in uns anspricht. 

Pauli: Feedback gehört trotzdem dazu. Wenn Leute etwas geil finden, bestärkt uns das. 

Flo: Wenn du mit deiner Musik Erfolg hast, besteht die Gefahr, dieses eine Ding immer wieder zu kopieren. Bei uns ist der Sound tagesabhängig. Manchmal gehen wir ins Studio und brauchen einen streetmäßigen Trapbeat, etwas Schmutziges. Am nächsten Tag haben wir Bock auf einen Schlager. Für uns wäre es schrecklich, wenn die Leute das immergleiche Soundbild erwarten würden.

Es gibt keine Checkliste?

Pauli: Ich bin oft schon gelangweilt von typischem Song-Aufbau wie Intro, Strophe, Refrain, Strophe, C-Part… Den würde ich gerne aufbrechen. Das Ohr wurde hin zu so einer Struktur geschult, nicht zu 15-minütigen Synthesizer-Solos. Schon da stellt sich die Frage, für wen man seine Musik schreibt und aufnimmt. Rick Rubin erschafft auch nicht nur Verschnörkeltes für zehn Leute. Er produziert durchaus Hits.

Flo: Wir jagen keinen Radioeinsätzen hinterher, das ist vergebene Liebesmüh. Wir müssen uns nicht an die aktuelle Länge von Songs von maximal zwei Minuten und 20 Sekunden halten. Weil wir damals etwas Neues begonnen hatten, fühlen wir uns auch als diejenigen, die dafür ganz eigene Gesetze aufstellen müssen. Eines davon ist in unserem Fall Anarchie. Die trotzdem einer gewissen Ordnung folgt. Gewisse Abläufe wiederholen sich. Aber wir müssen nicht dem Zeitgeist hinterherrennen. Wir machen unser eigenes Ding, und das sagen wir heute mit Selbstbewusstsein. Damals haben sie uns dafür belächelt. Jetzt lächeln sie nicht mehr! (lacht diabolisch)

Trotzdem zeitlos und gleichzeitig kontemporär klingt Ihr aber schon deshalb, weil Pauli als HipHop-DJ mutmaßlich zwangsläufig am Puls der Zeit war und noch immer ist.

Flo: Als ich nach Echt unter dem Namen Jim Pansen rappte, musste ich all meinen Mut zusammen nehmen, um Pauli nach Beats fragen. Es war mir eine Ehre, als wir anfingen zusammen Musik zu machen. Als wir Lukas dazu holten, waren wir schon auf HipHop eingespielt.

Pauli: Und Lukas bringt Pop- und Musicalvibes rein, die wir wiederum gar nicht haben. Wenn er Demos mitbringt, habe ich höchstens Bock, mehr Schmutz und Samples reinzumischen.  

Die eigentliche Sensation Eurer Band ist die, dass es noch nie einen Skandal gab, oder? Helikopter-Eltern, die Euch bestimmte Textzeilen vorwarfen?

Flo: Das ist wirklich noch nie passiert!

Weil Ihr Euch der Gefahr so bewusst seid? Weil Ihr so brav seid? Oder gehen die Texte drölfmal durch die Prüfung? 

Flo: Wir haben nicht das Gefühl, besonders vorsichtig zu sein. Im Gegenteil. Die Eltern wissen genau, dass wir den Schalk im Nacken haben. Dass wir auch mal ein Bier trinken nach der Show und ganz normale Erwachsene sind. Letztes Jahr, als die Echt-Doku erschien, hatte ich im Vorfeld Schiss, dass es clasht, wenn Eltern von Deine-Freunde-Fans mich darin als 15-Jährigen im Pool sitzend über Selbstbefriedigung reden hören und sehen. War aber nicht der Fall. 

Pauli: Es gibt eine unsichtbaren Zertifikatsstempel: Wenn wir ein Album rausbringen, wissen Eltern, dass da nicht nur Pippi, Kacka und A-a drinsteckt. 

Unter uns: Es gibt doch bestimmt ein paar zensierte Deine-Freunde-Songs, oder? Falls nicht, solltet Ihr gleich ein ganzes Album schreiben, nur für Eltern. Wie „Ab 18“ von Die Ärzte, nur anders.

Pauli: Auf der letzten Tour gab es einen heimlichen Crewsong. Da durfte jeder der Crew einen Vers spitten.

Flo: Wir haben darin die schlimmsten Momente der Tour festgehalten. Etwas, das jeder gehasst hat. Einen Veranstalter, der sich daneben benahm, zum Beispiel…

Pauli: Du darfst nicht zu viel sagen!

Flo: Es stimmt, der Track darf niemals das Licht der Öffentlichkeit erreichen, dann werden wir gecancelt! Wir überprüfen uns aber auch selbst. Manches würden wir heute anders machen als vor acht Jahren. 

Was meinst Du?

Im Text von „Ohne meinen Brudi“ hieß es: „Wir mögen keine Pferde und wir brauchen keinen Reitunterricht.“ Da steckte in mir als Texter offenbar auch noch so ein Dr. Dämmerich wie im Hörspiel, der in Jungs- und Mädchenkram aufgeteilt hat. Wenn wir den Song heutzutage live spielen, holen wir die Schwestis da mit rein und versuchen, gleichberechtigter unterwegs zu sein. 

Pauli: Nach jeder Albumproduktion spielen wir das Ergebnis unserem Management vor. Dann laden wir Rolf ein. Wenn etwas ganz schlimm wäre, würden diese Instanzen das bemerken.

Flo: Aber unser eigener TÜV funktioniert auch ganz gut. Wir gehen auch mal feiern und schlagen über die Stränge. Aber es gibt nix wirklich  Skandalwürdiges, dafür sind wir am Ende ein bisschen zu langweilig.

Und Nacktbilder auf der Reeperbahn hattest Du schon mit Echt produziert, Flo, nachzusehen in besagter Doku. In der sagt Echt-Sänger Kim Frank, der den Film schnitt, über Eure Freundschaft: Echt gab es immer und wird es immer geben, auch ohne Platten und Auftritte. Gibt es denn nun, mit ein paar Monaten Abstand zur Doku, vielleicht doch Pläne, mal wieder gemeinsame Konzerte zu spielen?

Flo: Wir denken die Idee immer wieder mal an und blockieren sie nicht komplett. Wir treffen uns seit zwei Jahren regelmäßig zu fünft, während der Filmproduktion sogar relativ engmaschig. Aktuell passt es nicht, dafür sind wir als Deine Freunde zu viel unterwegs, die anderen haben ebenfalls Verpflichtungen. Aber: Dass wir eines Tages ein Konzert spielen oder es uns anderweitig in den Fingern juckt, kann passieren. Konkret haben wir aber nix vor. 

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