„Der verlängerte Arm der republikanischen Partei in Amerika“: Moritz Neumeier ist kein Fan der Kinderserie „Paw Patrol“ – und hat dennoch seine liebe Not, seinen Kindern deren Konsum durchweg zu verbieten, „es geht doch nur um Hunde, Papa!“.

Mit den Komikern Moritz Neumeier und Till Reiners verbinden mich zwei entfernte Dinge – und nein, die gleiche Art von Witz und Schlagfertigkeit ist es leider nicht: Neumeier schrieb mal ein Buch namens „Urlaub trotz Kindern“. Er ließ T-Shirts mit dem Spruch „Das ist nicht links, sondern logisch“ drucken, als Reaktion auf die ewig gleichen Kommentare, die ihm auf Social Media irgendwelche Boomer immer dann drückten, wenn er etwas nicht stramm Rechtes oder, in deren Augen, „linksgrün Versifftes“ postete. In meinem Buch „Väter können das auch!“ zitiere ich Neumeier in abgewandelter Form: Ein Kapitel namens „12 sprachliche Ärgernisse, die der Vergangenheit angehören sollen“ endet mit dem Satz „Das ist nicht feministisch, sondern logisch“. Und Till Reiners? Kommt wie ich vom Niederrhein. Wir besuchten sogar das selbe Gymnasium, in Geldern, aber da er vier Jahre jünger als ich ist, lernten wir uns dort nie kennen.
Als ich also neulich im Kleingarten drölf Stunden Rasen mähte, Kanten trimmte und Unkraut rupfte, war es nur eine Frage der Zeit, bis mein ungehemmter Podcastkonsum mir auch eine Folge von Neumeiers und Reiners‘ Podcast „Talk ohne Gast“ reinspülte. „39 Grad EM-Fieber“, so der Titel der Episode vom 28. Juni, hörte ich deshalb gerne, weil Reiners sich darin neben seinem Klassentreffen an das als Abrissparty – das Gebäude soll tatsächlich plattgemacht und danach ein neues gebaut werden, die Arbeiten verschoben sich aber aus Gründen nochmal – genannte Ehemaligentreffen eine Woche zuvor erinnert. An Gesprächsrunden auf dem Schulhof, die immer dann besser wurden, wenn man nur zu einer Person spricht und nicht zu mehreren. An Memorabilia verhaltensauffälliger, ja mitunter agressiver Musiklehrer. An spannende und unspannende Berufswege.

Nun: Dort war ich auch. Die totale Reizüberflutung. Haufenweise alte Bekannte oder fast Unbekannte, mit deren Erkennen ich teilweise schon optisch milde Schwierigkeiten hatte, aber hey, ich bin ja genau so viel älter geworden wie sie. Smalltalks, Bierrunden, letzte Blicke in die alten Klassen-, Kunst- und Musikräume, sogar mit Edding Wände bekritzeln war erlaubt, habe auch ich mir nicht nehmen lassen, siehe oben. Ich haderte damit, die eine oder andere ehemalige Lehrerin anzusprechen und entschied mich nur deshalb dagegen, um uns beiden den peinlichen Moment zu ersparen, in dem sie so tun muss, als würde sie sich an mich erinnern, 23 verdammte Jahre später. Entgegen des Plot von Teeniekomödien oder Romcoms traf ich aber auch keine Jugendliebe wieder, mit der ich von dort aus durchgebrannt wäre. Nein, viel langweiliger, aber ich gebe es wenigstens zu: Sehr gerne wollte ich Till Reiners kennenlernen. Ich hatte sogar einen gemeinsamen alten Schulfreund angestiftet, uns vorzustellen, meine Opening Line wäre irgendwas mit Berlin geworden, aber dazu kam es nicht.* Wenn Du das hier liest, Till: Lass uns doch mal auf ein Diebels Alt treffen und vom Niederrhein schwofen! LOL.
Während ich also diesen Podcast höre und mich selbst an dieses Treffen erinnere, wechseln Reiners und Neumeier das Thema. Plötzlich, ab ca. Minute 40, geht es um die sehr erfolgreiche Kleinkinderserie „Paw Patrol“ und warum sie nicht so harmlos sei, wie viele glaubten. Und weil das hier mal als Familien-, Eltern-, Väter-, Whatever-Blog startete, lasse ich Euch unkommentiert die komplette Passage da (#Mediencontent):

(…)
M: “Ja, das kannst du meine Kinder mal fragen. Also wie ich mich überhaupt erdreiste, bestimmte Sachen zu verbieten.“
T: „Die finden es schon scheiße von dir, oder?“
M: „Das sind Hunde, Papa. Das ist ein Kinderfilm. Das sind Hunde.“ „Das ist ‚Paw Patrol‘. Und dann kannst du sagen, naja, das ist der verlängerte Arm der republikanischen Partei in Amerika. Das ist einfach ein furchtbares Weltbild, was da verbreitet wird, aber das checken die ja nicht. Die checken nur: Andere Kinder dürfen das. Und unser Vater hasst uns. Das ist das, was wir wissen.“
„Ja, das ist das, was bleibt.“
T: „Die denken sich ja komisch, dass mein Vater mich immer so gehasst hat. Aber es wird ja der Tag kommen, Moritz, wo die sich denken, ah ja, das ist schon krass. Nee, das ist, Papa, wollte ich noch mal sagen, da war gut, dass ich das nicht gesehen hab.“
M: „Oder? Ja, als sie diesen bösen Hund auf dem elektrischen Stuhl gebraten haben. Das hätte ich als Kind gar nicht verkraften können.“
T: „Das stimmt. Was haben die wirklich? Sowas gibt es bei ‚Paw Patrol‘? Nein.“
M: Ja, und das eine, da war so eine Hündin, und die durfte nicht abtreiben, obwohl es entstanden ist durch eine Vergewaltigung.“
T: „Das gibt es doch nicht bei ‚Paw Patrol‘. Nein, das gibt es nicht. Das gibt es nicht, aber ich fand es ganz interessant, wir waren neulich bei einem Auftritt, und da hast du ganz angeregt mit noch einer anderen Mutter gesprochen über Paw Patrol. Und das ist ja so eine riesige, erfolgreiche Serie. Und wie furchtbar das ist, und sie hat das auch erzählt, kannst du das noch mal so zusammenfassen, weil das ist ja vielleicht ganz spannend für Leute, die sich denken, weil die Serie kommt ja erst mal relativ nett daher. Also sind so Hunde irgendwie… Kannst du alle ins Boot holen, Moritz? Weil ich glaub, nicht alle kennen das.“
M: „’Paw Patrol‘ ist für sehr kleine Kinder gemacht. So’ne Animationssendung, das sind eigentlich nur vier kleine Hunde. Und die, ähm, die retten verschiedene andere Leute. Also die retten mal ’ne Stadt, oder die löschen mal ein Feuer. Da ist ein Feuerwehrmann, einer ist Polizist, einer hat so ein Flugzeug. Und das ist, also wenn man sich das anguckt, dann denkt man auf den ersten Blick, ach so, das sind so niedliche kleine Hunde und die erleben so Abenteuer. Was es aber wirklich ist, ist, wenn man sich diese Folgen und diese ganze Struktur dahinter mal anguckt, dann ist es einfach nur, ähm, ich weiß nicht, wie man das kurzfassen soll, aber es ist, das hab ich ja eben gesagt, das ist so eine bestimmte Verkörperung von so einem amerikanischen Traum. Nämlich starke Institutionen, für die sich Leute aufopfern, die sind, das sind absolute Helden, es geht, die sind krass aufgerüstet. Ja, aber eben nicht nur Institutionen, sondern es geht ja auch darum: Der Staat ist irgendwie dumm und wir müssen hier als Bürgerwehr das selber in die Hand nehmen. Genau, also der Staat an sich, der Bürgermeister und sämtliche Institutionen versagen und dann gibt es so eine kleine Bürgerwehr, nämlich die Paw Patrol, die sich selber aufgerüstet haben.“
T: „Die Hunde.“
M: „Die Hunde. Und die retten dann quasi immer Leute, weil das soziale Netz, das soziale System dahinter das leider nicht geschissen bekommt. Das ist aber auch extrem aufopferlich. Egal, was die gerade machen, wenn Hilfe gebraucht wird, dann wird alles stehen und liegen gelassen. Und dann sind das immer kleine Helden. Und ich weiß, mein Sohn hat das einmal gesehen bei einem Freund, heimlich mit ihm. Und kam nach Hause und war…“
T: „Lieb ich aber auch! Ich find’s gut. Ich find’s gut. Muss ich leider sagen. Ist auch wichtig. Genau, das ist ja das Wichtige. Man macht ja auch Verbote dadurch, dass Kinder alles wie heimlich Cola trinken. Das haben wir ja auch gemacht. Aber trotzdem haben wir nicht die ganze Zeit Cola getrunken. Aber wenn, dann muss man es halt heimlich machen. Das ist wichtig.”
(…)
Danach reden die zwei Typen weiter über elterliche Regeln. Neumeier findet es dann doch cool, wenn Kinder lernen sie zu umgehen, das sei schließlich kreativ, so lange es nicht um Lebensgefährliches ginge wie „spiele nicht auf der Autobahn“. Ich sehe das einerseits bisschen anders, weil ich erstens zuhause nicht angelogen werden möchte, und wenn es nur ums heimliche Naschen oder Glotzen von „Paw Patrol“ (back in their younger days) geht. Obwohl, wie oft habe ich die Kinder schon angelogen, Stichwort Osterhase und Weihnachtsmann? Ich meinte es doch nur gut, so die Kleinen dir ja auch nichts Böses wollen, sondern lediglich für sich das Beste! Andererseits werden bei uns auch einfache Regeln „in der Regel“ nicht befolgt. Ich werde und bin sehr müde, konsequent auf deren Einhaltung zu bestehen, und so kommt es vor, dass die Kinder streng genommen gar keine Regeln mehr umgehen müssen, weil ich einfach nichts mehr sage. Vielleicht frage ich mal Chase, Marshall, Rocky, Zuma, Rubble und Skye um Hilfe. Oder meinen alten Mathelehrer, wie das damals so lief!
*P.S.: Zufall? In der jüngsten Folge „Endlich Papst“ von „Talk ohne Gast“ erklärt Reiners, wie er sich traute, mal Chris Rock (im Vatikan!) anzusprechen – und auf welche Opening Lines von netten Anlaberern er sich einließe. Leider habe ich keine Videospieltipps außer „Monkey Island“, Till. Bin doch noch älter als Du!