Neuregelung der Partnermonate: Väter, die in Elternzeit auf Reisen gehen – aber nicht nur

Die Reduzierung der sogenannten Partnermonate im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) scheidet die Geister der Gleichberechtigung einmal mehr: Werden Väter mit dieser Reform ein- oder weiter ausgegrenzt? Wem hilft sie? Müssen sie wirklich in die Pflicht genommen werden? Und wieso stellt sich diese Frage in Berlin anders als in anderen Bundesländern?

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Wird von Vätern während ihrer Elternzeit mutmaßlich besonders gerne fahren: Van vor Palmen (Photo by Bianca on Pexels.com)

Für frischgebackene Eltern und deren mutmaßliche Gleichberechtigung hat sich im Elternzeitgesetz etwas getan: Seit dem 1. April 2024 werden statt der bisherigen zwei Partnermonate (die mehr als jedes zweite Paar in Deutschland überhaupt nicht nutzte), dank derer Eltern insgesamt 14 statt zwölf Monate Elterngeld beziehen durften, wenn der nicht hauptbetreuende Elternteil, in der Regel also der Vater, sie in Anspruch nimmt, zumindest in den ersten zwölf Monaten nur noch einer gewährt. Das Bundesfamilienministerium berief sich bei seiner Entscheidung auf ein Policy Paper des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW). Darin heißt es auf Basis wissenschaftlicher Studien, dass Väter, die im ersten Lebensmonat des Kindes Elternzeit nehmen, sich auch danach stärker an Kinderbetreuung und Haushalt beteiligen würden. Rollenveränderungen würden „vor allem dann auftreten, wenn die Elternzeit nicht gemeinsam genommen“ werden, „nur allein genommene Elternzeitmonate verändern die Väterbeteiligung auch langfristig“.

Bloß: Das sehen nicht alle von der Reform betroffenen Elternteile so. Über Sinn und Unsinn wird anhaltend diskutiert. Die einen sagen: Viele Männer hätten die bisherigen zwei Monate ohnehin vorrangig für Urlaubsreisen mit der Familie genutzt, nicht aber dafür, sich ausschließlich um den Nachwuchs und den beruflichen Wiedereinstieg der Frau zu kümmern; den später möglichen Alleinmonat würden sie wahrscheinlich einfach nicht in Anspruch nehmen. Andere fühlen sich bevormundet: Die Umsetzung von Ideen hin zu mehr Gleichberechtigung würde damit „von oben nach unten diktiert“, die Reform sei kontraproduktiv und arbeitgeberfreundlich.

An der bisher praktizierten Arbeits- und Lebensrealität vieler Familien geht diese Debatte statistisch gesehen zumindest in Berlin teilweise vorbei. Bundesweit bezogen im Jahr 2023 1,3 Millionen Frauen und 462000 Männer Elterngeld, der Väteranteil blieb mit rund 26 Prozent auf dem Vorjahresniveau, auch Berlin tat sich in dieser Hinsicht nicht hervor. Unterschiede machen sich aber in der durchschnittlichen Bezugsdauer bemerkbar. Die lag national zuletzt bei 14,8 Monaten bei Frauen und 3,7 Monaten bei Männern. In Berlin aber nahmen die Väter, die 2022 überhaupt Elternzeit beanspruchten, im Durchschnitt fünf Monate, was auch an den im Ländervergleich hier höchsten Anteilen von Männern lag, die Elterngeld Plus im Vergleich zum Basiselterngeld bezogen. Warum ticken Berliner Väter in dieser Hinsicht anders?

In Berlin sind viele Väter, Mütter und Arbeitgeber*innen aufgeklärter

„Da, wo große Diversität herrscht, fällt es Vätern leichter, Elternzeit oder Teilzeit zu beantragen, als in reinen Männerberufen, in denen Rollenbilder nicht hinterfragt werden “, erklärt Anne Meinhold. Die Körper- und Traumatherapeutin bietet in ihrer Praxis in Berlin-Tempelhof gendersensible Psychotherapie für Mütter und Paare an. Aus ihrer Arbeit mit Eltern, die es anders als ihre eigenen Eltern machen wollen, weiß sie wie auch aus eigener Erfahrung: In einem „aufgeklärten linksliberalen Umfeld“ und damit in vielen Unternehmen in Berliner Stadtteilen wüssten zudem Vorgesetzte selbst, dass es „uncool“ ist, ihren Arbeitnehmer*innen Steine in den Weg zu legen. Dass Väter die Partnermonate vermehrt für Familienreisen nutzen, kann sie einerseits bestätigen, belastbare Zahlen oder qualitative Studien liegen dazu andererseits zumindest für Berlin nicht vor. Das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, dessen Präsidentin (noch) die in dem Bereich führende Soziologin Prof. Jutta Allmendinger ist, teilt auf Nachfrage mit, dass es lediglich Studien zu Fragestellungen wie der gebe, inwiefern die Länge der Elternzeit auf die Beteiligung an der Sorgearbeit Einfluss nimmt. Mütter kehrten zudem grundsätzlich meist schneller auf den Arbeitsmarkt zurück, wenn ihre Partner Elternzeit nehmen. Dass es ferner kaum Studien gebe, die Fertilität von Männern erforschten und Kinderlosigkeit sehr oft im Zusammenhang mit Frauen betrachtet werde, erkläre vielleicht auch die wenigen Analysen zu Vätern und Elternzeit, sagt Michelle Boden, wissenschaftliche Mitarbeiterin von Allmendinger.

Meinhold ist das als Grundlage für eine Reform der Partnermonate zu wenig: „Welche Väter nehmen wann Elternzeit? Haben sie, ein, zwei oder drei Kinder? Und inwieweit hängt die Elternzeit vom Arbeitgeber ab? Zu alledem liegen keine Zahlen vor, um eine wirksame Familienmaßnahme zu treffen. Die Kürzung der Partnermonate erscheint mir deshalb populistisch“, sagt sie und schlägt für die Versöhnung aller Parteien stattdessen vor, dass Mama und Papa durchaus mal zwei Monate gemeinsam mit dem Kind eine schöne Zeit haben dürften, weil in der Regel die Mutter noch immer schlichtweg froh sei, mal nicht alles allein machen zu müssen. Sinn der Elternzeit sei dies aber nicht. „Schön wäre, wenn beide Elternteile sich soviel Zeit nehmen wie möglich, auch mal verreisen – und sie dann aber auch mal arbeiten geht und er bleibt zuhause bleibt“, findet die Paartherapeutin und sieht Eltern allein dafür nicht in der Bringschuld: „Wenn die Politik es ernst meint und Mütter nicht weiter in den Burnout treiben will, müssen wir als Gesellschaft ‚Care‘ anders denken. Das geht nur, wenn alle Menschen bereit dazu sind, einen Teil ihrer Arbeitskraft in die Pflege zu stecken. Für Alte, für Kinder, für Kranke. Arbeit, die über Jahrhunderte hinweg bei den Frauen ausgelagert wurde. Wir müssen den Männern erklären, dass sie dabei etwas zu gewinnen haben.“ Die Neuregelung der Partnermonate im Elternzeitgesetz sei deshalb ein Diskussionsanstoß und ein Wink an die Männer. „Ich halte sie darüberhinaus aber für Schaumschlägerei und einen Zeigefinger: ‚Wenn ihr es nicht so macht, wie wir wollen, nehmen wir euch einen Monat weg‘. Dieser Schritt ist in keine Richtung wirksam. Schlecht finde ich alles, was die Lage für Familien verkompliziert. Es wird sich dadurch grundlegend nichts ändern. Wir brauchen Initiativen, mehr Elternmonate für Väter und Kampagnen für Firmen“, so Meinhold.

Stephan Rehm Rozanes aus Neukölln ist eine dieser Väter, an die Meinhold mutmaßlich denkt. Der von den Partnermonaten profitiert hat, mit seiner Familie auf Reisen ging, sich aber außerhalb dieser Zeit nicht aus der Verantwortung gestohlen hat. Bei jedem ihrer drei Kinder, die heute 7, 5 und 2 Jahre alt sind, haben er und seine Frau zeitversetzt nach der Geburt jeweils sieben Monate Elternzeit genommen. Jeweils zwei davon verbrachten sie gemeinsam bei ihrer Familie in Israel, „um ihre Wurzeln und eine andere Kultur zu fassen“ und weil Familien später „im System aus Schulpflicht und Erwerbsarbeit nicht mehr ausbrechen können“, wie er sagt. Das auf nur einen Monat zu beschränken, hält der Musikredakteur, der auch außerhalb von Elternzeit im Home Office flexibel und präsent sein kann, für bedauerlich und nicht zeitgemäß: „Die Welt wächst durch immer mehr kulturell gemischte Ehen und transkontinentale Familien zusammen. Die Partnermonate sollten deshalb lieber verlängert werden.“ Auch wenn selbst dieses Argument zuerst ein Großstadt-Ding sein mag.

+++ Eine gekürzte, redigierte und entsprechend umgestellte Version dieses Textes ist am 4. Mai 2024 in der Wochenend-Ausgabe des Tagesspiegel erschienen. +++

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