Wegen steigender Temperaturen sind auch die guten alten Sommerferien nicht mehr das, was sie mal waren. Wo hält man es überhaupt noch aus? Und worauf müssen Eltern achten?
Was waren das für Zeiten: Stundenlang planschten die Kinder am Strand, während die Eltern ihre Haut in der Sonne gerbten, als Statussymbol für die Daheimgebliebenen. Der Sommerurlaub der Deutschen galt in den vergangenen 60 Jahren als Institution, als Manifest des wirtschaftlichen Erfolgs und als Höhepunkt des Familienjahres. In den kommenden 60 Jahren dürfte dieses Bild, das viele heutige Eltern junger Kinder aus ihrer eigenen Kindheit wie ein vergilbtes Foto kennen, vollends verschwinden.
Der Juni 2023 war der weltweit heißeste Juni, der 4. Juli der weltweit heißeste Tag seit Beginn der Temperaturaufzeichnungen. Allein in Deutschland sind im vergangenen Jahr Schätzungen zufolge rund 4500 Menschen an Hitze gestorben.
Alte Menschen, Pflegebedürftige, Vorerkrankte, aber auch Kinder, Schwangere und Menschen, die sich beruflich oder privat viel im Freien aufhalten, seien besonders gefährdet, sagt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach in Interviews. Sein Ministerium brütet dieser Tage einen sogenannten Hitzeplan aus, um „die Bevölkerung stärker vor den Gefahren zunehmender Hitze zu warnen und Pflegeheimen, Kommunen, Krankenhäusern konkrete Konzepte zur Verfügung zu stellen, um auf Hitzewellen zu reagieren“.
Und nicht nur Deutschland schwitzt und kollabiert. Noch viel dramatischer sieht es in unseren traditionellen Urlaubsländern aus. Hitzewellen rollen durch Südeuropa, und die Aussichten stehen auf weitere Erwärmung: 48 Grad Celsius werden in Sardinien erwartet, 44 in Griechenland. In der spanischen Region Extremadura wurden schon jetzt punktuell 60 Grad gemessen.
Wären wir nicht ganz schön doof, uns und unsere Kinder dieser Hitze auszusetzen? Was also bedeutet der Klimawandel für un seren Familienurlaub?
Für Nick Sawatzki ändert die steigende Hitze nicht viel am bisherigen Urlaubsverhalten seiner Familie. Der 41jährige Vater zwei er Kinder (5 und 2) aus Prenzlauer Berg arbeitet als Radiomoderator und Redakteur, seine Frau als Projektmanagerin. Im Frühjahr sind sie „klimasündermäßig“ zu viert eine Woche nach Ägypten geflogen, all inclusive, weil der „Durst nach Strand und Sonne“ so groß war. In der Hauptsaison käme Sawatzki wegen der dortigen Temperaturen nicht auf die Idee.
In den kommenden Sommerferien wollen sie, wie schon in den Jahren davor, mit dem Zug und Fahrrädern nach Sylt reisen. Dies sei ohnehin entspannter, findet er, weil die Kinder während der Fahrt herumturnen können und ihre Uroma dort eine Ferienwohnung hat. Dass das Auto stehen bleibt, sei ein positiver Nebenaspekt. Und die Packliste in immer gewöhnlicher werdenden Hitzesommern wie diesem? Neben UV Shirts, Sonnencreme mit Lichtschutzfaktor 50 und Käppis „nicht mehr als sonst auch“.
Ob das reicht? Der Sonnenschutz werde regelmäßig unter schätzt, sagt Dr. Kristin Zwenzner aus Bayreuth. In den Kinderarztpraxen des Landes ist der Klimawandel längst angekommen. Sonnencremes mit Lichtschutzfaktor 50+ seien bei Kindern seit Jahren Standard. Aber: Die müssten schon im Frühjahr genutzt werden. Bei 20 Grad Celsius denke niemand daran, dass die Kinder trotzdem mit rotem Gesicht nach Hause kommen können.
Zwenzners Wunsch als Ärztin und Mutter an die Modebranche lautet deshalb: „Entwickelt gescheite Sonnenhüte, die die Ohren verdecken!“ Neben guten Sonnenbrillen sollte Kleidung mit UV-Schutz ebenfalls zum Standard-Repertoire bei Kindern gehören: Die Haut der ganz Kleinen ist zu empfindlich für Creme, da brauche es Sonnensegel oder Strandmuscheln, die den sogenannten australischen Standard erfüllen.
Um grundsätzlich der gestiegenen Gefahr von Hitzeschlägen entgegenzuwirken, empfiehlt Zwenzner nicht nur mehr Zeit im Schatten und viel Wasser („keine Süßgetränke!“), sondern eine Siestazeit wie in südlicheren Ländern. Im Hochsommer zwischen 11 und 15 Uhr sollten Eltern mit Kindern gar nicht rausgehen.
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- Weiterlesen auf Tagesspiegel Plus: „Siesta auch in Skandinavien: Der Klimawandel verändert den Familienurlaub“. Dieser Text ist am 16. Juli 2023 in der Sonntagsausgabe des gedruckten „Tagesspiegel“ erschienen.