Bespaßung versus Nichtstun: Wie viel Action oder Langeweile brauchen Kinder in ihrer Freizeit? Ich habe in den Sommerferien noch nicht viel vor, finde beide Extreme als begleitender Elternteil anstrengend und habe darüber meine neue Kolumne für das „Deutsche Schulportal“ geschrieben. Ein Auszug.
Folgende Szene, die im Grunde alle Eltern kennen, spielte sich neulich in Zug und Bus auf dem Weg in unseren Brandenburger Kleingarten ab: „Was kann ich machen, Papaaa? Ich habe Laaangeweile!“, lag mir der Siebenjährige in den Ohren. Was er machen wollte, war mir klar: Ständig schielte er auf das Handy in meiner Hosentasche und das Tablet im Rucksack. Dann sagte ich Sätze, die ich aus meiner Kindheit kenne und für richtig halte. Gleichzeitig erschrak ich, wie wenig ich selbst mich daran halten kann. „Du musst Langeweile auch mal aushalten! Schau aus dem Fenster, erzähl’ mir was – und verstehe, dass Nichtstun auch mal völlig okay ist!“, antwortete ich – und schielte 30 Sekunden später selbst wieder auf mein Smartphone.
In den Sommerferien werden diese Diskussionen an Fahrt aufnehmen, weil wir keine aufnehmen: Aus finanziellen und zeitlichen (aka erwerbsarbeitlichen) Gründen sowie wegen der Tatsache, dass in diesen ewig langen sechs Wochen nicht nur alle möglichen Reiseziele mit Kindern doppelt so teuer und doppelt so überfüllt sind wie außerhalb der Hauptsaison, haben wir keine große Reise geplant. Mal werde ich mit den Jungs meine Eltern besuchen, mal kurzurlauben sie bei den Eltern ihrer Mama. Freibadbesuche und Tagesausflüge sind trotz Sorge vor Überfüllung angedacht. Fragen wie „Was machen wir heute?“ werden kommen, aber das täten sie ja auch, hingen wir am Hotelstrand während eines teuren All-inclusive-Urlaubs ab.
Auch im Garten wollen wir ein paar Tage verbringen. Die Wasserbahn steht bereit, ein menschenleerer, malerischer Kanal zur Abkühlung fließt 100 Meter weiter die Kolonie entlang, in der Umgebung gibt es zahlreiche zu inspizierende Badeseen. Leider reißen die Streitpunkte um Medienzeiten dort nicht ab. Konsequent wäre, wir nähmen die Gerätschaften gar nicht erst mit. Erstens aber haben wir die Regel aufgestellt, dass Fernsehen oder Zocken nur an Wochenendabenden erlaubt ist, und wir sind, zumindest außerhalb der Ferien, nun mal ausschließlich an Wochenenden im Garten. Zweitens freue ich mich selbst über zwei Stunden Ruhe, um vor Ort auch was „zu schaffen“. Es gibt ja immer was zu tun. Die Rechnung, dass die Kinder eines Tages dort freudig mithelfen, buddeln, graben, Unkraut zupfen oder ernten, die ging bisher nicht wirklich auf.
Verstehen Sie mich nicht falsch: Damit sie auf Ideen und gemeinsame Spiele kommen, möchte ich meine Kinder in ihrer vermeintlichen Langeweile fördern, wäre sie bloß für mich nicht so stressig. Immerhin lesen sie gern und viel, aber so viele Bücher kann ich gar nicht mitschleppen, dass sie genug Auswahl haben und nicht immer die gleichen lesen. E-Books wären praktisch, aber je näher das Tablet, desto größer die Versuchung, statt dem digitalen Buch doch wieder ein Spiel zu daddeln.
Abgesehen von seltsamen Schlagzeilen wie der aus der „Frankfurter Rundschau“, dass Langeweile „sadistisches Verhalten“ auslösen könne, ist sich die Wissenschaft relativ einig, dass Nichtstun für Kinder wichtig ist. Dass es ihnen und ihrer Entwicklung nicht hilft, wenn Eltern ein 24/7-Action-Programm auf die Beine stellen, bloß damit niemals Fragen nach Langeweile aufkommen.
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2 Gedanken zu „Ferienprogramm: Darum müssen Kinder Langeweile lernen“