Meine „Tagesspiegel“-Kolumne auf dessen Familienseiten heißt „Oh Mann!“. Hier ist Folge 7, die am 15. Juli 2023 „im Blatt“ erschien und in der er es um Elterngeld, Jutta Allmendinger und Arbeitsstundenaufteilung geht.
Als die Bundesregierung vor ein paar Wochen ankündigte, die Haushaltsnettoeinkommensobergrenze – so ein schönes deutsches Wort – für den Bezug von Elterngeld von 300.000 Euro auf 150.000 Euro zu reduzieren, war der Aufschrei groß: Die maximal durchschnittlich Verdienenden beschwerten sich darüber, dass die oberen zehn Prozent, und nur die wären davon betroffen, ja wohl genug Geld hätten. Die wiederum argumentierten, dass durch Hausbau, Kreditabzahlung und so weiter auch ihr Finanzquell versiegen könnte und dass auch ihre Familienplanung vom Elterngeld abhinge. Inmitten dieser Neiddebatte kamen mir zwei Punkte zu kurz: 1. Wieso wird überhaupt wieder bei Eltern gekürzt? 2. Erweist das Familienministerium der Gleichberechtigung damit nicht einen Bärendienst?
Womit wir bei Jutta Allmendinger wären. Die berühmte Soziologin hielt Anfang Juni, und damit noch vor den neuen Elterngeldankündigungen, eine Keynote auf der re:publica 2023 hier in Berlin. Unter dem Titel „Augen zu und durch? Die Gleichstellungspolitik und ihre unintendierten Folgen“ stellte sie die Erkenntnisse der neuen Vermächtnisstudie vor. Eine davon lautete: Weil sich, besonders während der Coronapandemie, Erwerbs- und Carearbeit nicht zufriedenstellend vereinbaren ließen, kehren Frauen nicht etwa wie befürchtet zurück in den Haushalt. Nö, sie wollen einfach gar keine Kinder mehr kriegen. Dieser Wunsch würde durch Kürzungen beim Elterngeld egal welcher „Schicht“ zunehmend gefördert, Politik und Wirtschaft können dies kaum wollen.
Neben ihrer Forderung, dass Deutschland sich weg von einer Erwerbstätigkeits-, hin zu einer Tätigkeitsgesellschaft wandeln müsse, verlangt Allmendinger: Es sollte in Zukunft nicht mehr nur Frauen leichter gemacht werden, in Vollzeit, also „wie Männer zu arbeiten“. Nein, Väter sollten verstärkt in Teilzeit, also „wie Frauen“ arbeiten können, sollen und wollen. Nur durch diese Annäherung schieße Gleichstellungspolitik nicht am Ziel vorbei. Dies müsse lauten: 32-Stunden- bzw. Vier-Tage-Woche für alle. Bei dieser Aufteilung wären es auch bei einer Kürzung der Elterngeld-Höchstsätze nicht in der Regel die Frauen, die im Zweifel weiterhin in Teilzeit arbeiten oder auf eine Beförderung verzichten, damit ihr Haushalt und dem statistisch gesehen leider immer noch höherem Einkommen des Mannes weiterhin unter 150.000 Euro bleibt. Klingt eigentlich ganz einfach.
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