Früher war mehr Lametta: Geschenke, Trubel, Weihnachtsessen – vom Zauber der Weihnachtsfeste in der Kindheit ist für mich nicht mehr viel übrig geblieben. Doch es gibt Lichtblicke. Folge 9 meiner Vaterkolumne „Oh Mann!“, die am 14. Dezember auf den Familienseiten im „Tagesspiegel“ und danach auch online erschien.
Was waren das noch für Zeiten: Als ich ein kleines Kind war, im Westdeutschland der Achtziger, waren Weihnachtsfeiern das Größte. Meine jungen Eltern lebten getrennt (und sogar noch bei ihren eigenen), beide hatten jeweils über ein halbes Dutzend ältere Geschwister, die wiederum auch Kinder hatten. Für mich bedeutete dies gleich zweimal: Geschenke! Trubel! Weihnachtsessen! Gesellschaftsspiele bis Mitternacht! Seit ich selbst Kinder habe, ist von diesem Zauber leider nicht viel übrig geblieben.
Der Stress geht schon Ende November los: Adventskalender müssen besorgt oder gar selbst gefüllt, Wunschzettel geschrieben, eventuelle Verwandtschaftsbesuche geplant und deren Geschenke an die Kleinen gleich mitbedacht oder besorgt werden. An den Adventssonntagen sollten, sagt das elterliche Gewissen, wenigstens einmal Plätzchen gebacken werden, fürs Feeling und so. Und wer kauft und schmückt den Tannenbaum?
Einerseits würde ich meinen Söhnen gerne so große Familiensausen wie in meiner Kindheit bescheren. Weil dann für sie und uns was los ist. Etwas Besonderes, das nicht jeden Tag passiert.
Der Druck überwiegt die kaum vorhandene Vorfreude
Andererseits haben schon die zwei Male, an denen wir uns das getraut haben, meine verklärte Erinnerung ins Wanken gebracht, und das nicht nur wegen Autofahrten im Stau, überfüllten Zügen und Nieselregen statt Schnee: Als Erwachsener mit dem wortkargen Onkel ohne ein gemeinsames Thema am Tisch zu sitzen und Suppe mit Maggi zu löffeln, lässt den schönen Schein bei allem Respekt für die Sippschaft doch schnell verblassen. Aber, haha, natürlich: Den Kids gefiel es dort, LOL.
Und wenn Elternteile das Fest mit ihren Kindern lieber im eigenen ach so trauten Heim verbringen, making new memories und so, dann überwiegt der Druck oft auch die kaum vorhandene Vorfreude. Auf die Geschenke, die ich nicht kriege? Auf die fünf Minuten, in denen die Kinder ihre Geschenke aufreißen und nach 30 Minuten weitere Action erwarten? Auf das aufwändigere Abendessen, das genauso schnell verschlungen und verkleckert wird wie an allen anderen Tagen im Jahr? Auf meine Motivationsversuche für eine Runde „Monopoly Junior“, während sie lieber fernsehen oder Videospiele zocken wollen? Früher war mehr Lametta!
Der Sinn des Ganzen erschließt sich abseits von Geschenken ja nicht mal meinen Kindern: „Warum feiern wir eigentlich 2000 Jahre später noch den Geburtstag eines Mannes, der längst tot ist?“ Gute Frage, mein Sohn. Gute Frage.
Immerhin einer Tradition gingen wir dieses Jahr bereits freudig nach: Wir haben Rolf Zuckowski nicht nur wieder gehört, sondern, the benefits of my job, im Rahmen seines „In der Weihnachtsbäckerei“-Musicals im Theater des Westens, sogar getroffen. Nimm das, Generationengeist der Weihnacht!
Die Ich-Botschaft meines Lamentos kapiere ich natürlich selbst: Als in traditionellen Rollenbildern sozialisierter Mann würde sich das Kind in mir, obwohl ich es heute besser weiß, gerne wieder an den gedeckten Tisch setzen. Weihnachten war schöner, als Oma und die Tanten (nie aber die Onkel, komisch) kochten und sich kümmerten. Aber at least für sie gewiss auch nicht entspannter, als es das heute für mich ist.
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