Die Kinokomödie „Plötzlich Familie“ ist genau so berechenbar und berechnend, wie Ihr denkt

Herzerwärmung via Reißbrett: Mark Wahlbergs neue Komödie will Adoptiveltern die ganze Palette an Emotionen aufzeigen, die man mit Kindern so durchlebt. Überraschend, fordernd oder wirklich lustig ist „Plötzlich Familie“ dabei keineswegs – aber hochfunktional. Ein möglicher Dialog aus der Entstehungsphase.

Plötzlich Familie: Mark Wahlberg als Pete Wagner mit seinem Pflegesohn Juan (Gustavo Quiroz) (Foto: Paramount Pictures)
Plötzlich Familie: Mark Wahlberg als Pete Wagner mit seinem Pflegesohn Juan (Gustavo Quiroz) (Foto: Paramount Pictures)

Neulich war ich im Kino. Kinderlose oder Eltern älterer Kinder wissen vielleicht noch/wieder, was das ist. Mangels Babysitter ging ich vordergründig allein, weil aus Zeit- oder Lustgründen niemand der Handvoll Leute, die mir statt meiner Frau als Begleitung überhaupt noch ein- und gefallen, mitkam. Was nicht schlimm war, denn ich folgte ja einer Einladung der reizenden Janine, die mit „Mummy Mag“ eine sogenannte Preview-Vorführung der Familienkomödie „Plötzlich Familie“ („Instant Family“ im Original) im Berliner Zoo Palast veranstaltete. Ich wusste: Es gibt Frinks, Popcorn und bestimmt genug andere nette Leute vor Ort. Gab es auch, neben 90 Prozent Frauen zum Beispiel Falk, dessen Blog „Papa macht Sachen“ ich hier gleich mal empfehle. Der Film selbst aber war leider so lahm und semilustig wie befürchtet. Das Reißbrett-Machwerk „Plötzlich Familie“ ist ein Film, der keinen höheren künstlerischen, kreativen oder dramatischen Anspruch hegt, aber das tut, was er tun soll: Er funktioniert.

In „Plötzlich Familie“ geht es um die Restauratoren Pete und Ellie Wagner, die ein Haus kaufen, noch keine Kinder haben und eines Tages eines adoptieren wollen. Klar, sie will, er macht sich Sorgen, dumme Sprüche und darüber lustig, will in Wahrheit aber auch. Nach einem sog. Foster-Kurs reift ihr Entschluss, auf einem Waisenfest schauen sie sich wie in einem Tierheim nach Kandidaten um.

Von der ersten Sekunde an ist klar, was passieren und wie happy der Film enden wird. Jeder Witz wirkt lauwarm, jede Szene für Eltern irgendwie altbekannt („aus dem Leben gegriffen“). Ich spoilere nicht, wenn ich sage: Natürlich adoptieren Pete und Ellie Kinder (gleich drei, Geschwister gibt es nur im Paket), natürlich werden sie viel Spaß und viel Stress mit ihnen haben, natürlich gehen sie an ihre Grenzen, natürlich haben auch die Kinder so ihre Sorgen, natürlich will die leibliche Mutter nach ihrer Entziehungskur eines Tages ihre Kinder zurück, natürlich ist die neue Familie am Ende trotzdem glücklich vereint. Wie kann es bloß, abgesehen vom eigentlich natürlich wichtigen Thema, zu so einem durchschaubaren Film kommen?

Wie „Plötzlich Familie“ entstanden sein könnte

Vielleicht so:

Vor ein paar Monaten in der Buchhaltung im Thinktank bei Paramount Pictures:

Hey Leute! Tom Cruise dreht in „Mission:Impossible 7“ eine Actionszene weniger, wir haben noch Budget für einen Film! Wie wär’s mit einer Familienkomödie? Die brauchen keine teuren Drehbuchautoren und funktionieren fast immer!“

„Gute Idee. Aber ein bisschen gefühlig soll es schon sein. Hmm. Gibt es eine Zielgruppe, die wir noch nicht gezielt angesprochen haben? Die obere Mittelklasse? Alleinerziehende? Latinos? Schwule? Hundebesitzer? Moderne Väter? Hatten wir? Was ist mit Adoptiveltern? Hallo? Nein, noch nicht? Perfekt, die nehmen wir! Und die anderen nehmen wir gleich mit!“

„Und die Story? Egal, um das Drehbuch kümmern wir uns später. Wir brauchen einen Hauptdarsteller, der an den Kinokassen zieht. Am besten einen Mann, der bekannt, attraktiv und cool ist, damit die Frauen ihn sehen wollen und ihre Kerle gleich mit ins Kino gehen. Ben Stiller? Zu klamaukig. Bradley Cooper? Zu beschäftigt. Johnny Depp? Guter Witz! Was, Mark Wahlberg? Der ist sportlich, beliebt, sieht ganz gut aus, ist nicht zu glatt. Sein Körper wird actionmäßig vielleicht unterfordert sein, seine überschaubare Mimik am Limit. Außerdem hat der bei uns schon ‘Transformers 5‘ gedreht, der ist sich für nichts zu schade. Den nehmen wir!“

„Aber Chef, seine Gage…“

„Ach, die anderen Rollen haben wir längst mit Schauspielern besetzt, die keiner kennt!“

„Aber Rose Byrne kennt ma…“

„Machen!“

„Und Teenager stehen auf Isabela Moner, die bei Nicke…“

„Umso besser! MACHEN!“

„Und wie nennen wir den Film? Was zieht gerade so? ‘Ich bin dann mal… Elternteil?‘ Sowas funktioniert doch seit diesem Hape Kerkeling in Deutschland immer wieder. Okay, fragen wir lieber den Filmtitelwürfel… ‘Plötzlich Familie‘, na klar! Das versteht jeder!“

So könnte „Plötzlich Familie“ geboren worden sein, in Wahrheit war es zumindest teilweise anders: Regisseur Sean Anders („Der Chaos-Dad“, „Daddy’s Home – Ein Vater zu viel“, „Daddy’s Home 2“) ist selbst Adoptivvater dreier Kinder. Im Grunde ist „Plötzlich Familie“ die Geschichte von ihm und seiner Frau Beth. Mark Wahlberg ist sogar Vierfachvater und lässt sich vom Verleih mit den Worten zitieren: „Schon bevor mir das fertige Drehbuch vorlag und ich mit Sean Anders über die Idee gesprochen habe, wurde ich sehr emotional. Als Vater weiß ich genau, wie sich das anfühlt. Eine Familie zu sein, kann zugleich wunderschön und herausfordernd sein – und manchmal auch ziemlich schwierig. Ganz gleich, ob es adoptierte oder die leiblichen Kinder sind.“ Ein Fazit, das viele Zuschauer*innen nach „Plötzlich Familie“ ziehen werden. Aber eben eines, das man schon vorher kennt.

Wer während der zahlreichen herzerwärmenden Szenen noch keine Träne verdrückt hat, wird von den Filmemachern im Abspann dazu eingeladen: Zum von Teenie-Hauptdarstellerin Isabela Moner gesungenen Titelsong „I’ll Stay“ zeigen sie motivierende Bilder echter amerikanischer Pflege- und Adoptionsfamilien (natürlich nur die glücklichen und möglichst diversen). Der Zweck heiligt offenbar jeden Blockbuster-Standard.

Vor der Kamera nach der Vorführung war ich übrigens diplomatischer: Der Film „funktioniere“ und er raffe in anderthalb Stunden die emotionale Achterbahnfahrt, die nicht nur Adpotiveltern, sondern auch die Eltern leiblicher Kinder erfahren: Freude, Zweifel, Angst, Ahnungslosigkeit, Stress, Aufgabe, Hoffnung, Verzweiflung, Liebe und so weiter. Genau das will er ja. Und dass ich mich für drei Sekunden beim sofort wieder verworfenen Gedanken erwischt hätte, wie es wohl wäre, selbst ein Kind zu adoptieren. Und dass ich zweimal kurz gelacht habe. Aber nur, damit ich nicht wegnicke, nach dem Sekt und dem Bier auf Kosten von Paramount Pictures.

Danke dafür, auch an „Mummy Mag“! War trotzdem ein schöner Abend!

„Plötzlich Familie“ mit Mark Wahlberg, Rose Byrne, Isabela Moner, Gustavo Quiroz u.a. startet am 31. Januar 2019 in den deutschen Kinos.

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