„Mal ehrlich: Ein gutes Lese-Vorbild bin ich nicht!“

Einer aktuellen Studie zufolge fehlt es jedem vierten Schulkind in den vierten Klassen an Textverständnis. Welchen Anteil haben Eltern an dieser Leseschwäche? Und was können sie dagegen tun? Diese Fragen stellte ich mir in meiner achten Kolumne für das Deutsche Schulportal. Ein Auszug.

Auch als Meme mit dem Zitat „How can you read this? There’s no pictures!“ berühmt geworden: Gaston, der Bösewicht aus „Die Schöne und das Biest“

Die Schlagzeilen Mitte Mai klangen alarmierend: „Jeder vierte Viertklässler kann nicht richtig lesen“, hieß es in der „Tagesschau“ unter Berufung auf die jüngsten Ergebnisse der sogenannten IGLU-Studie. Im internationalen Vergleich – 65 Staaten nahmen weltweit teil – landete Deutschland unter dem Durchschnitt der EU-Staaten. Der deutsche Punktwert ist zum dritten Mal in Folge auf einen Tiefstand gesunken. Konkreter heißt das: Rund ein Viertel aller Viertklässler:innen weist kein ausreichendes Textverständnis vor, um die Anforderungen in den bevorstehenden Schuljahren zu bestehen. Wo kommt diese Leseschwäche her? Und was bedeutet das für Eltern?

Wahrscheinlich sind wir uns einig, dass nicht alles, was in der Schule zum Stoff gehört, im späteren Alltag oder Berufsleben unbedingt vonnöten ist. Die Kulturtechnik des Lesens aber gehört definitiv dazu. Wer liest, nimmt an der Gesellschaft teil, lernt bewusst und unbewusst – und bringt als Kind manchmal auch seine Eltern in Erklärungsnöte. Was glauben Sie, wie ich gelacht habe, als ich mit meinen Schulkindern auf dem Fahrrad in Berlin-Kreuzberg an einem Swingerclub vorbeifuhr und plötzlich die Frage beantworten musste: „Papa, was heißt ,Zwanglos 3‘“? Und dass in den Zigarettenautomaten an Supermarktkassen Kaugummis drin sind, kann ich ihnen auch schon lange nicht mehr weismachen.

Die Ursachen für die jüngsten Ergebnisse der IGLU-Studie sind so uneindeutig wie vielfältig: Ja, heißt es, die Corona-Pandemie und mit ihr einhergehende Lockdowns und Homeschooling-Versuche mögen dazu beigetragen haben – ein Negativtrend sei aber bereits davor erkennbar gewesen.

Was ist es denn dann: Sind es überforderte Eltern? Überforderte Lehrer:innen? Zu viel und zu früher anderweitiger Medienkonsum? Falsche Vorbilder – von George Bush Jr., der einst als (gefälschtes) Meme die Runde machte, weil er in einer Schulklasse angeblich ein Buch verkehrt herum hielt, bis hin zu Mama und Papa, die öfter auf ihr Handy als in eine Zeitung starren?

Die Kinder selbst tragen – wie könnten sie auch?! –, sicher keine Schuld. Die Studie stellt bei Kindern in Deutschland eine im europäischen Vergleich überdurchschnittliche Lesemotivation fest. 63 Prozent erklärten in der Befragung für die Studie, außerhalb der Schule mindestens 30 Minuten pro Tag zu lesen. Es sei vielmehr so, dass in deutschen Schulen selbst mit 141 Minuten pro Woche zu wenig gelesen würde – der Durchschnitt der OECD-Staaten liege bei 209 Minuten. An dieser Stelle müssten Lehrer:innen sich wohl selbst fragen, woran das liegt.

Eine andere interessante Frage ist auch: Wie schaffen es Schulkinder, die nicht lesen können, überhaupt regulär bis in die vierte Klasse? Weil vorher Noten ausbleiben? Weil eine 4- noch keine 6 ist? Weil sie in anderen Fächern gut genug sind? Weil ein Kind „sitzen bleiben“ zu lassen wohl auch kein pädagogisches Nonplusultra darstellt?

Ich bin eigentlich kein Fan davon, den Bildungsauftrag ins Elternhaus zu verlegen. Hausaufgaben zum Beispiel gehören, finde ich, aus verschiedenen Gründen in die Schule oder den Hort. Aber: Wenn ich als Elternteil meinen Kindern eine Sache von früh auf relativ leicht mit auf den Weg geben kann, dann ist das der Spaß am Lesen. Wenigstens zehn Minuten pro Tag Bilderbücher zeigen, erste Wörter und Sätze vorlesen, das sollte jede:r hinkriegen. Die Kinder lernen so erste Schritte in andere Welten, die sie später selbst gehen können, und dabei kommen sie auch zu neuem Wissen.

Das rät übrigens auch die Entwicklungspsychologin Lieselotte Ahnert. In einem Interview über ihr neues Buch „Auf die Väter kommt es an“ erklärte sie: „Gemeinsame Bilderbuchbetrachtungen mit dem Vater sind beispielsweise eine Super-Investition in die Bildungskarriere eines Kindes. Wenn ein Kind lernt, sich darüber mitzuteilen, und es begreift, was für eine Welt sich durch Bücher eröffnet!“

Mir ist indes natürlich bewusst, was auch die Macher:innen der Studie seit nunmehr 20 Jahren immer wieder feststellen: Unter Kindern aus „sozioökonomisch benachteiligten Familien“ sind häufiger Leseschwächen zu beobachten. Dabei gibt es doch viele Möglichkeiten: Bücher kann man ausleihen, sie kosten gebraucht kaum Geld, und selbst wer als Elternteil der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtig ist, kann mit Bilderbüchern im Kleinkindalter auch in der Muttersprache dafür sorgen, dass das Interesse am Medium geweckt wird. Doch bleibt die Frage: Wie kann es gelingen, dass dieses Bewusstsein selbstverständlicher wird? Bibliotheksausweise für alle bei der Ausstellung der Geburtsurkunde oder bei einer Ummeldung des Wohnorts?

(…)

Weiterlesen? Den kompletten Text findet Ihr auf Deutsches-Schulportal.de, wo er am 13. Juni 2023 erschien.

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