Beschützte Töchter durch aufgeklärte Söhne

„Don’t protect your daughter, educate your son“: Dieser erzieherische Leitspruch kursiert immer dann durchs Internet, wenn #metoo-Schlagzeilen die Runde machen. Aber in welchem Alter und wie sollte wer mit Jungs über sexualisierte Gewalt, Übergriffigkeit und das Erkennen von eigenen und fremden Grenzen sprechen? Und was zur Hölle hat Till Lindemann damit zu tun? Für das DadMag von „Men’s Health“ habe ich mir darüber Gedanken gemacht bzw. die anderer zitiert. Hier ein Auszug daraus.

In letzter Zeit musste man immer wieder lesen: „Ein Drittel aller jungen Männer findet Gewalt gegenüber Frauen okay“. In einer scheinbar so aufgeklärten Welt wie unserer bewirkt diese eigentlich unglaubliche Erkenntnis tatsächlich Schnappatmung. Wo kam sie her? Die Headline basiert auf einer repräsentativen Umfrage – nicht Studie, wie viele fälschlicherweise behaupteten –, die die Hilfsorganisation Plan International in Auftrag gab. Findige Twitter-User fanden zudem heraus: Die Methodik dieser Umfrage sei hier und da nicht sauber gewesen, die Art der Fragestellung sei intransparent, andere Untersuchungen kämen zu teilweise ganz anderen Ergebnissen, die Medien seien vorschnell auf den Skandalzug aufgesprungen und so weiter. „Puh“, könnten wir deshalb rufen und durchatmen. Alles halb so wild?

Keine Frage: Medienkritik und das Aufdecken von Erhebungsfehlern wie oben erwähnt sind richtig und wichtig. Bloß: Selbst wenn alles wirklich „halb so wild“ wäre und in Wahrheit vielleicht nur 15 Prozent aller Männer zwischen 18 und 35 körperliche Maßregelungen gegenüber Frauen okay findet statt über 30 – ist das Problem dann keines mehr? Der Bielefelder Buchautor und Psychologe und Männertherapeut Björn Süfke fasst es auf Instagram zusammen: „Ernsthaft jetzt? Wenn XY Prozent der Eltern ihre Kinder schlagen und wir dann von Umfragen lesen, die besagen, XY + 5 Prozent würden ihre Kinder schlagen, haben wir dann zuallererst ein Umfragemethodikproblem oder eins mit Gewalt an Kindern?“ Süfke hat natürlich recht: Über Gewalt und Erziehung müssen wir trotzdem sprechen. Nur wie?

Die Autorin und Feministin Teresa Bücker hat eine bemerkenswerte Kolumne über diese Problematik geschrieben. Unter der provokanten Überschrift „Ist es radikal, Jungen beizubringen, nicht zu vergewaltigen?“ sprach sie unter anderem vom Victim Blaming und Täter-Opfer-Umkehr: Wir dürfen nicht länger Mädchen erklären, wie sie sich zu kleiden, welche Heimwege sie zu nehmen, wie sich sexuell zu geben und nehmen haben. Das Grundprinzip lautet: „Don’t protect your daughter, educate your son“. Wir müssen Jungs, auch die noch ganz Unschuldigen, aufklären. Zu Hause als Eltern und im Unterricht – neben den biologischen Prozessen im menschlichen Körper muss es in der schulischen Sexualkunde unbedingt auch um den angemessenen physischen und psychischen Umgang mit Körpern gehen. Damit sie nicht zu Tätern werden und in der Folge Frauen, zumindest theoretisch, gar nicht länger beschützt werden müssen. Dabei helfe es nicht, ihnen gebetsmühlenartig einzubläuen, was sie dürften und was nicht und wie sie mit Frauen (oder überhaupt anderen Menschen) umzugehen haben. Sie müssten vielmehr lernen, in sich selbst hineinzuhören: Wer bin ich? Wer will ich sein? Was sind meine Bedürfnisse? Wie äußere ich die in einem Umfeld, das von mir verlangt, eine ganz andere Art Mann zu sein, als ich will?

Dass dieses Umfeld schon Kindern und Teenagern schadet und aus ihnen eventuell die Männer macht, die Antworten wie die obigen geben, ist keine Neuigkeit. Im Jahr 2018 etwa wollte dieselbe Hilfsorganisation bereits in einer jüngeren Erhebungsgruppe ähnlich konservative Selbst- und Rollenbilder festgestellt haben. Damals hieß es unter anderem, wie auch von Bücker in ihrer Kolumne zitiert: „Sieben von zehn Jungen nehmen Druck von Eltern, Lehrer:innen, Freund:innen wahr, körperlich stark zu sein und emotional tough. Ein Drittel gab an, dass von ihnen erwartet werde, ihre Gefühle zu verstecken, wenn sie sich traurig oder wütend fühlten. Mehr als 40 Prozent meinten, bei Wut sei es die normale Reaktion, sich aggressiv oder gewalttätig zu verhalten. 44 Prozent beschrieben, bereit sein zu sollen, jemanden zu schlagen, der sie provozierte. Einer von drei Jungen empfand den Druck, sich dominant zu verhalten – eine Angabe, die unter anderem damit korrelierte, in Jungengruppen sexuelle Witze und Bemerkungen über Mädchen zu machen. Nahezu die Hälfte der Jungen hatte zudem zugehört, als ihr Vater oder ein anderes männliches Familienmitglied sexuell anzüglich über Frauen redeten.“

Die Ursache hinter solchen Symptomen von mangelndem Selbstwertgefühl bis hin zu dummen Sprüchen, Prahlereien und Schwanzvergleichen liegt in der toxischen Männlichkeit. Die ist nicht nur ein individuelles, sondern ein strukturelles Problem: Sei stark! Sei erfolgreich! Werde mächtig! Das wird Jungen im Patriarchat oft unbewusst von klein auf gepredigt. Kein Wunder, dass einige es auch werden wollen und glauben, sich nehmen zu müssen oder gar dürfen, was ihnen zustehe – ohne zu große Rücksicht auf Verluste.

Wie und wann sollte man Jungs mit Geschlechter- und Gewaltthemen konfrontieren? Wir haben den bereits zitierten Psychologen Süfke direkt gefragt.

(…)

Weiterlesen? Den kompletten Text findet Ihr unter diesem Link auf www.menshealth.de/dad. Dort ist er am 19. Juni 2023 erschienen.

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