Warum handeln Papas, wie sie handeln? Was würde ihnen und ihren Kindern guttun? Wann sind Saufgelage okay? Und was haben die Evolution und Gorillas damit zu tun? Mein Interview mit der Entwicklungspsychologin Lieselotte Ahnert im „Tagesspiegel“ – und ein Vatertagskommentar.
„Am heutigen Donnerstag, exakt 40 Tage nach Ostersonntag, ist es wieder so weit: Tausende Menschen pilgern in die Kirchen dieses Landes, um „die Aufnahme und Erhöhung Jesu Christi als Sohn Gottes zu seinem Vater in den Himmel“ zu feiern. Tausende Väter pilgern mit Bier und Bollerwagen durch die Parks und Naherholungsgebiete dieses Landes, um… ja, warum eigentlich? Die Antwort ist profan. Sie tun es, um sich endlich mal mit ruhigem Gewissen dem Daydrinking hinzugeben, sich von der Arbeit zu „erholen“ und die eigene Familie Familie sein zu lassen. Über den (abseits der christlichen Bedeutung) wahren Sinn oder Unsinn dieses gekaperten Feiertags denkt in diesen Stunden wohl niemand so recht nach. Und wenn doch, dann nur kurz: Der nächste Schnaps macht schließlich schon die Runde!
Absurderweise sind es oftmals junge Männer ohne Kinder und mit viel Zeit, die den „Herrentag“ zum Saufen verwenden. Habe ich als 19-Jähriger auch gemacht. Hätte ich gewusst, wie anstrengend Vatersein einmal werden würde, ich hätte lieber vorgeschlafen.“
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Für den „Tagesspiegel“ habe ich pünktlich zu Christi Himmelfahrt am 18. Mai 2023 einen Kommentar darüber geschrieben, unter welchen Umständen ich Saufgelage am Vatertag völlig okay finde. Könnt Ihr auf Tagesspiegel.de in voller Länge nachlesen. Was das alles mit Gorillas, Jägern und Sammlern zu tun hat? Hat mir in einem ausführlichen Interview die Entwicklungspsychologin Lieselotte Ahnert erklärt, deren Buch „Auf die Väter kommt es an“ gerade erschienen ist.
Hier ein Auszug:
Frau Ahnert, Ihr Buch über die Väter trägt die Unterzeile „Wie ihr Denken, Fühlen und Handeln unsere Kinder von Anfang an prägen“. Fehlt der Zusatz „Im Guten wie im Schlechten“, oder?
Mit dieser Väterforschung wollten wir die Väter nicht darstellen, wie sie sein sollen, sondern wie sie sind. Und ja, im Guten wie im Schlechten. Das Denken und Fühlen von Vätern fiel über lange Zeit aus den psychologischen Abhandlungen heraus.
Rührte Ihre Motivation fürs Buch daher?
In der vergangenen wie auch meiner eigenen Familienforschung lag der Fokus immer auf den Frauen und Müttern. Mutterschaft ist seit 100 Jahren ein riesiges Thema. Dass Väter trotz „Vater-Mutter-Kind-Erzählungen“ nie dazugehörten, hat mich immer befremdet, aber auch neugierig gemacht. Ich bin froh über den neuen Zeitgeist und die Motivation von jungen Männern, die sich mit der Vaterschaft ernsthaft auseinandersetzen. Irgendwie wollen sie ihre Vaterrolle anders handhaben, als sie es aus ihrer eigenen Kindheit kannten – mit Vätern, die zwar klare Positionen bezogen, wie das Familienleben gestaltet werden soll und welche Rolle die Kinder dabei spielen durften, die es jedoch den Müttern überließen, diese Vorstellungen umzusetzen.
Gibt es diese neuen Väter wirklich? Oder ist nur die Wahrnehmung eine andere?
Der grundsätzliche Wunsch, ein guter Vater zu sein, ist inhärent. Evolutionspsychologisch kam irgendwann in der Menschheitsgeschichte der Punkt, an dem es Männern nicht nur um die Zeugung und Verbreitung der Gene ging, sondern um das Investment danach – die eigentliche Vaterschaft. Wie bringe ich mich neben der Mutter in die Nachwuchsbetreuung ein? Habe ich dort überhaupt eine Rolle? Und wie sieht sie aus? Antworten auf diese Fragen befinden sich heute nun ganz massiv im Wandel. Die herkömmliche Geschlechterordnung ist durch den Feminismus und der Emanzipation, der Beteiligung der Frauen am Arbeitsmarkt und in der Gesellschaft ins Wanken geraten. Nichts läuft mehr so fest in stabilen Bahnen, wie in den Generationen davor. Die traditionellen Muster zerbröckeln sichtlich, bei denen es den Männern um den sozialen Status und die finanzielle Absicherung der Familie ging und im Wesentlichen ihre Ernährerrolle betraf: Welcher junge Mann steigt heute noch in eine Firma ein und bleibt dort bis zu seiner Rente?
Wo steht oder taumelt das wankende Vaterbild jetzt?
Es scheint so, als ob die Vaterschaft traditionell eine fakultative Funktion – die Mutterschaft dagegen eine obligatorische Funktion hat, sprich: Mutterschaft kann man nicht einfach abwählen. Vaterschaft kann man sehr flexibel gestalten, sich unter Umständen auch einfach aus dem Staube machen. Wenn eine Frau sagen würde, dass der Mann das Kind alleine großziehen solle, weil sie sich das alles anders vorgestellt habe und ihr Leben anders einrichten möchte, gilt das auch in unserer modernen Zeit als sehr starker Tobak. Andererseits gibt es heute eine Menge alleinerziehender Väter und die Tendenz ist steigend, auch wenn der Kinderwunsch ursprünglich mit der passenden Partnerin verbunden war.
Da kommen Sozialisation und Rollenbilder ins Spiel. Die Anforderungen an Väter sind sehr viel geringer als an Mütter. Und: Rund 40 Prozent aller Väter, die mittlerweile Elternzeit wahrnehmen, stehen noch immer rund 60 Prozent gegenüber, die dies nicht mal mit einem Mindestmaß tun. Sind wir in Wahrheit also weit entfernt von einem wirklichen Wandel?
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Ein Gedanke zu ”Gorillas und Kauderwelsch: Welche Rolle Väter spielen sollten“