„Tagesspiegel“-Kolumne (Folge 6): 14 Tage für den Rest des Lebens

Meine „Tagesspiegel“-Kolumne auf dessen Familienseiten heißt „Oh Mann!“. Hier ist Folge 6, die am 10. Juni 2023 „im Blatt“ erschien und in der er es um ein kleines, aber womöglich wichtiges Gesetz geht.

„Ich kann doch am Anfang eh nichts machen!“

„Stillen kann halt nur die Mama!“

„Was bringt es, wenn beide Eltern unausgeschlafen sind?“

Sätze wie diese fallen oft, wenn es um die ersten Tage, Wochen oder Monate mit Baby geht. Meist sagen sie Väter, die entweder lapidar schildern, wie es zuhause so läuft. Oder sie erklären, warum sie ihre erste Elternzeit erst nehmen, wenn das Kind drei Jahre alt ist.

Gut, zwei Wochen Urlaub reichen viele frischgebackene Väter meistens trotzdem ein. Mutmaßlich nicht, um damit frühzeitig eine Bindung zu ihren Kindern aufzubauen, sondern – auch ein guter Grund – um die Mutter im Wochenbett zu schonen. Needless to say, dass sie sich ja eigentlich sechs Wochen darin ausruhen sollte.

Ich habe das nicht anders gemacht. Nach 14 Tagen ging ich wieder ins Büro und es lief für mich fast alles wie bisher – mit einem unruhigen, rund 50 Zentimeter großen Unterschied. Das war scheiße. Für mich, vor allem aber für die Mutter. Was mich daran hinderte, von Anfang an länger zuhause da zu sein? Als Angestellter habe ich im Jahr nur 30 Tage Urlaub, deren Einsatz wollte also wohl gewählt sein.  Bei anderen Eltern spielt auch die finanzielle Rolle eine noch größere. Viele können wirtschaftlich nicht, selbst wenn sie wirklich wollen.

Deshalb ist es höchste Zeit, dass die als Vaterschaftsfreistellung diskutierte und nun, zum 1. Januar 2024, als Familienstartzeitgesetz umgesetzte EU-Richtlinie endlich in Kraft tritt. Dank ihr können Partner*innen nach der Geburt eines Kindes zwei Wochen unter voller Bezahlung und ohne Berührung ihrer Urlaubstage freigestellt werden. Klar, einerseits ein Tropfen auf den heißen Stein, der andererseits vielleicht einen Schalter umlegt. Damit noch mehr Väter „auf den Geschmack“ der aktiveren Elternschaft kommen und spüren, was Muttersein bedeutet. Und damit Mütter von Anfang an entlastet werden – das Gesetz soll nicht nur für biologische Väter gelten.

„Was das kostet!“, schrien Kritiker*innen und arbeitgeberfreundliche Politiker*innen sogleich auf. Die Berliner Autorin Teresa Bücker entgegnete, warum wir uns diese zweiwöchige Freistellung dringend leisten sollten. Sie twitterte: „Die Kosten für die mangelnde Unterstützung von Müttern nach Geburten tragen wir als Gesellschaft seit Ewigkeiten, nur berechnet die niemand.“ Da geht es etwa um postpartale Depression, Teilzeitfallen, Vermeidung von Altersarmut oder durch Trennung vom Partner, von dem die Mutter finanziell zu abhängig war, weil sich Care-Arbeit nie annähernd gleichmäßig verteilen ließ. Und so weiter. Mal ganz zu schweigen davon, dass es auch Vätern schadet, wenn sie keine Bindung zu ihren Kindern aufbauen können. Ich habe eine zu meinen Söhnen und bin trotzdem mindestens einmal am Tag zu überfordert. Aber das ist ein anderes Thema.

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