Meine „Tagesspiegel“-Kolumne auf dessen Familienseiten heißt „Oh, Mann!“. Hier ist Folge 5, die im Mai 2023 „im Blatt“ erschien und in der er es um nur vermeintlich positive Schlagzeilen geht.
Gute Nachrichten für schlechte Väter? „Väteranteil beim Elterngeld steigt“, titelte etwa der „Tagesspiegel“ vor ein paar Wochen. Die Grundlage für diese nur vermeintlich frohe Botschaft war eine Mitteilung des Statistischen Bundesamts. Demnach lag der Anteil der Männer unter allen Elterngeldbeziehenden im Jahr 2022 bundesweit bei 26,1 Prozent und damit um 2,1 Prozent über dem Vorjahr. Berlin liegt mit einem Väteranteil von 27,7 Prozent immerhin auf Platz 5 im Ländervergleich – hinter Spitzenreiter Sachsen, Thüringen, Baden-Württemberg und Bayern sowie weit vor dem abgeschlagenen Saarland mit 20,8 Prozent.
Warum diese Zahlen trotzdem traurige sind? Erstens wäre eine paritätische Aufteilung erst dann erreicht, wenn Mütter und Väter zu jeweils 50 Prozent Elterngeld beziehen würden. Der Weg dahin erscheint mir noch ein paar Generationen zu überdauern – obwohl die GroKo in ihrem Koalitionsvertrag hehr formulierte, dass in zehn Jahren Gleichberechtigung erreicht sein soll, whatever that means to them. Zweitens sind selbst die zitierten Zahlen Augenwischerei: Die Bezugsdauer lag bei Frauen bei 14,6 Monaten und bei Männern bei 3,6 Monaten. Wem diese Schieflage noch nicht eindeutig genug ist: In den Vorjahren lag diese Zahl bei 3,7 Monaten, sie ging also sogar zurück. Und sie betrifft nur Väter, die überhaupt Elternzeit nehmen, ist auf die Gesamtzahl von Vätern in Deutschland bezogen also nochmal geringer.
Im Klartext heißt das: Ja, es nehmen ein paar mehr Männer Elternzeit, der Großteil von ihnen aber kaum mehr als die obligatorischen zwei Monate, an die sich selbst der konservativste Chef mittlerweile gewöhnt haben dürfte. Gleichstellung und ein Kampf dafür sehen anders aus. Und das im dritten Corona-Jahr, in dem zumindest in den sogenannten White-Collar-Branchen, in denen die Arbeit oft am Computer ausgeführt werden kann, ohne sich vor Ort die Hände schmutzig zu machen, die Letzten gemerkt haben dürften, dass Home und Mobile Office und flexible Arbeitszeiten nicht nur Fluch, sondern auch Segen sein können.
That being said: Sorry für meinen Einstieg mit den schlechten Vätern. Als Kolumnist muss man halt polarisieren. Dennoch finde ich tatsächlich: Was auch immer einen „guten“ oder „schlechten“ Elternteil ausmacht – es geht nicht nur um die vielbeschworene Qualität der Zeit, die jemand mit den eigenen Kindern verbringt. Ohne Quantität keine messbare Equality. Außerdem kann ich als Vater am Wochenende noch so oft mit meinen Söhnen ins Tropical Islands oder an den Wannsee kurven: Wenn ich nicht mal die Namen ihrer Schulfreund*innen und andere Alltagsfreuden und -sorgen genauso kenne und erfahre, werde ich einiges verpasst haben, das nicht in Zahlen nachzuweisen ist.