Zwischen Wokeness und Wirklichkeit: Sich aufgeschlossen, modern und gleichberechtigt zu fühlen, heißt noch lange nicht, es wirklich und im Zweifel zu sein. In meiner Kolumne „Papa ante Portas“ auf LittleYears.de habe ich ein paar Beispiele dafür parat. Auch aus eigener Erfahrung.
Als Alice Hasters 2020 ihr Buch „Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten“ veröffentlichte, traf sie damit einen Nerv. Obwohl aus sehr persönlicher Perspektive verfasst, sprach die Kölner Journalistin stellvertretend für BIPoC, also „Black, Indigenous, and People of Color“, aus, wo, warum und inwiefern sie sich nicht nur im Alltag und strukturell diskriminiert fühlen, sondern nachgewiesenermaßen werden. Im vielleicht augenöffnendsten Kapitel „Nächstenliebe“ schrieb Hasters einen offenen Brief an ihren neuen Freund, der total „woke“ und natürlich gegen Rassismus, Diskriminierung, Sexismus, weitere Unterdrückung von Marginalisierten und so weiter sei. Im weiteren Verlauf ihrer Beziehung zeichnete Hasters ein Bild davon, inwiefern er als Nicht-Betroffener seine neue Freundin trotzdem niemals so ganz verstehen würde und die Unterschiede zwischen ihnen, wenn es schlecht läuft, eher größer als kleiner würden. So ähnlich, wenn auch in einem ganz anderen gesellschaftlichen Bereich, verhält es sich mit modern gelesenen Vätern.
Klar: Wer nicht gerade der letzte konservative Hinterwäldler ist, behauptet natürlich nicht mehr, dass Frauen in die Küche gehören. Natürlich sollen ihnen alle Türen so offen stehen wie Männern. Sie sollen gleich verdienen, die gleichen Aufstiegschancen kriegen, sich um Erziehung und Haushalt nicht alleine kümmern. Aber wenn es hart auf hart kommt, sieht die Realität, mindestens aber das Mindset doch noch ganz anders aus. Aus Gründen der Sozialisation, der in der Gesellschaft verankerten Rollenbilder – und aus Egoismus.
In einem weit verbreiteten Zitat beschrieb der Soziologe Prof. Dr. Ulrich Beck das Phänomen schon 1986 als „verbale Aufgeschlossenheit, bei weitgehender Verhaltensstarre“. Bloggerin und Autorin Patricia Cammarata erklärte mir darauf basierend in einem Interview für mein Buch „Väter können das auch“: „Es gibt kein Wissensdefizit, sondern ein Handlungsdefizit“. Und der Väterforscher Andreas Eickhorst kennt auch zumindest eine Teilbegründung dafür: Er nennt sie Anstrengungsvermeidung.
Bei mir zuhause läuft es, ehrlich gesagt, mitunter ähnlich: Ich bugsiere Kinder und Kegel durch den Alltag, nehme Arzttermine, Fußballtraining und Co. wahr. Aber ich schwitze schon beim Gedanken an die nächste Urlaubsplanung. Mangelnde Care-Arbeit kann man mir nicht vorwerfen. Liegenlassen und Abschieben von Mental Load durchaus. Es läuft noch viel zu oft und wie bei viel zu vielen Paaren darauf hinaus, dass die Mutter eben doch die letzte Verantwortung trägt. Wir säßen ziellos zuhause rum, wenn meine Frau nicht an die übernächsten Schulferien denken würde. In vielen anderen Familien liegt die finale Entscheidungsinstanz selbst im Tageslevel bei ihr: Was Papa mal doch nicht macht, wird Mama schon richten.
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