Trommelwirbel: Mein noch titelloses erstes Sachbuch über Väter, Mütter, Eltern, Privilegien und auch über Arbeit erscheint im Frühjahr 2022 im Kösel-Verlag. Wie wird es (wahrscheinlich) so weit gekommen sein?
Vor vielen Jahren, es könnte 2009 gewesen sein, traf ich Thorsten „Nagel“ Nagelschmidt nach einem Konzert im Berliner Club SO36. Wir kannten uns von Interviews, die ich für Online-Fanzines und das 2011 verschiedene unclesally*s-Magazin mit seiner damals gerade aufgelösten Band Muff Potter führte. Er hatte zwei Jahre zuvor seinen Debütroman „Wo die wilden Maden graben“ herausgebracht, der Nachfolger war in der Mache. Wir standen also so im Flur herum, in einer dieser typischen Smalltalkrunden. Möglich, dass ich auch nur dabei stand und noch nicht nach Hause, aber irgendwie dazu gehören wollte. Es roch nach Bier, kaltem Schweiß und, immer wenn die Tür und ihr Vorhang aufging, einem Hauch Kreuzberger Winterluft. Vielleicht spielten kurz davor die gerade reformierten Gorilla Biscuits rund um Walter Schreifels, so genau weiß ich das nicht mehr. Damals besuchte ich noch sehr viele Konzerte, ich wohnte ja erst seit zwei Jahren in Berlin, alles war neu, alles war möglich, alles war spannend. An was ich mich dafür noch sehr genau erinnern kann, ist ein Satz, den ich mangels besserer Ideen halb zu Nagel, halb zu mir selbst sagte und ihn in dem Moment bereute, als ich ihn aussprach: „Eines Tages werde ich auch ein Buch schreiben“, sagte ich und muss dabei geklungen haben wie ein Sechsjähriger, der Astronaut werden will. Nur dass mir niemand zusprechend auf die Schulter klopfte. Schnell holte ich mir noch ein Bier und dann mein Fahrrad.
„Kein Buch in Planung“
Seit 2013 arbeite ich beim Musikexpress als Online-Redakteur. Meine Kurzbio auf Musikexpress.de, LinkedIn und Co. beendete ich mit den Worten „Kein Buch in Planung. Hi!“. Soll bloß niemand denken, ich halte von mir selbst so viel wie diverse andere Journalist*innen! So blieb es da über Jahre hinweg stehen, so steht es da immer noch. Der kühne Wunsch in mir ging gleichzeitig auch nicht weg. Geht wohl kaum wem anders, der gerne schreibt und keine anderen Talente oder handwerklichen Geschicke hegt und pflegt.
Wieder ein paar Jahre später. Sitze am Geburtstag von Peter Wittkamp mit ihm und ein paar Gästen in einer Neuköllner Kneipe. Reiße nach dem vierten Bier ein paar lose Buch- und Podcast-Ideen an, wir sprechen über mein Blog und seine Projekte. Gagautor Peter, der im Oktober 2019 mit „Für mich soll es Neurosen regnen“ (Affiliate Link) ein biografisches Buch mit ernstem Thema veröffentlichte, sagt, dass er sehe, dass bei mir immer mal ganz gute Ansätze da wären, aber nichts sei so richtig durchgezogen. Wie das halt so ist, denke und murmle ich, wenn man Job und Familie hat. Von meiner jüngsten Buchidee, die ich gerade in einem kleinen Exposé zu raffen versuchte, erzähle ich nicht.
Wochen danach frage ich Peter sowie den von mir hochgeschätzten Journalist und Autor Christoph Koch nach Agenturkontakten. Ich habe da jetzt was, denke ich, und schicke das Exposé raus. Sammle mir ein bis drei Absagen ein, allesamt von Männern, manche antworten gar nicht. Wer schließlich Interesse zeigte, war die Elisabeth Ruge Agentur, offensichtlich die Agentur der Lektorin, Verlegerin und Autorin Elisabeth Ruge. Sie und ihr Team betreuen unter anderem Peter und seine Ex-Freundin Judith Poznan. Judith habe ich vor meinem dortigen Termin um Rat gefragt. Wie läuft so was? Was wollen sie wohl von mir, wie kann ich mich vorbereiten? Vor Ort ging alles ganz schnell, für sie war eine Zusammenarbeit offenbar schon vor unserem Treffen ausgemachte Sache – und so kam ich, im Februar 2020, zu meinem ersten Literaturagentinnenvertrag.
Was dann passierte? Gefühlt erstmal nichts. Wegen Corona. Buchmessen wurden abgesagt, Verlage wurden vorsichtiger, persönliche Treffen fanden nicht statt. Ich schrieb im Austausch mit meiner neuen Agentur weitere Probekapitel, glaubte aber selbst nicht mehr so recht daran. Meine Monate zuvor bei einem anderen Agenten gepitchte bessere Klolektüre über „10 Jahre Instagram“ wollte der ja plötzlich auch lieber doch nicht mehr vertreten. Aber da war ja auch nichts unterschrieben.
Im November 2020 nahm die Angelegenheit fast überraschend an Fahrt auf. Meine Agentin pitchte „unser Buch“ bei diversen Verlagen. Es herrsche grundsätzlich reges Interesse, hieß, Absagen folgten freilich trotzdem. Aber schließlich eben auch, ha, einige Angebote. Und nach einigen Videotelefonaten und Nachverhandlungen landete er plötzlich in meinem Posteingang: mein erster Buchvertrag.
Als Judith vor ein paar Monaten (zurecht) voller Stolz auf Instagram verkündete, dass sie einen Vertrag für ihr Buch „Prima Aussicht“ unterschrieben habe oder als Mareice Kaiser anfing, ihr gerade jetzt erschienenes, bestimmt hervorragendes und gewiss wichtiges Buch „Das Unwohlsein der modernen Mutter“ (Affiliate Link) zu bewerben, habe ich mich für sie gefreut und gleichzeitig gedacht: So eine große Ankündigung machst du aber nicht, Fabian. Das bringt doch nichts als zusätzlichen Druck und ständige Nachfragen, wie das Schreiben denn so liefe, während man in Wahrheit noch gar nicht richtig angefangen habe. Nun mache ich es doch. Warum? Weil ich endlich angefangen habe. Weil Social Media doch bitteschön auch dazu da ist, die guten Dinge zu teilen. Und damit ich es einmal ausgesprochen und einen „guten“ Grund habe, etwaigen Nachfragen zuvor zu kommen: „Jaja, ist nur noch Formsache.“
Jetzt sitze ich hier in Elternzeit mit Teilzeit, schreibe und komme so lange voran, wie die anhaltenden Corona-Maßnahmen und unser elterliches Gewissen die externe Kinderbetreuung zulassen. Abends oder nachmittags auf Spielplätzen lese ich Thorsten Nagelschmidts aktuellen Roman „Arbeit“ (Affiliate Link) und verspüre trotz Deadline im Herbst gewissen Druck: Dieser Teufelskerl beschreibt den Alltag und die Sprache seiner Protagonist*innen zwischen Taxifahrten, Späti-Überfällen, „Grand Theft Auto“-Zockereien, Drogendeals und Sanitätereinsätzen derart derbe und genau und echt, der muss für die Recherche pro Seite („Arbeit“ hat 336 Seiten) mit den Vorbildern seiner Figuren länger unten gewesen sein als ich mit allen Gesprächspartner*innen zusammen gesprochen haben werde. Well.
Gestern, heute, morgen: Mein noch titelloses Sachbuch über Väter, Mütter, Eltern, Privilegien und auch über Arbeit erscheint im Frühjahr 2022 im Kösel-Verlag. Wenn die Welt und die Familien, wie wir sie kennen, bis dahin nicht untergegangen sind.
3 Gedanken zu „Papa, es wird ein Buch!“