Daniel Johansson ist kein gewöhnlicher Kiezvater. Ich habe ihn nicht in seinem und nicht in meinem Kiez getroffen. Daniel ist 38, lebt mit Frau und drei Kindern (Lasse, Bosse und Olle, sechs, drei und anderthalb Jahre alt) in Stockholm und ist Sänger und Songwriter der aus Funk und Festivallandschaft bekannten Indierockband Friska Viljor. Die schmeisst er gemeinsam mit seinem Schulfreund Joakim Sveningsson, der immerhin zwei Kinder hat. Auf ihrem neuen Album „My Name Is Friska Viljor“ geht es, wie schon auf dem Vorgänger „Remember Our Name“, bisweilen explizit um die Vereinbarkeit von Vaterschaft und Rock’n’Roll sowie um das elterliche Couchleben. Grund genug, mit Daniel zu telefonieren, während er im Studio sitzt und bevor er los zum Kindergarten muss. Ein Interview über prekäre Musiker-Verhältnisse, Elternzeit in Schweden und durch ewiges Touren provozierte Ehekrisen.
New Kid And The Blog: Daniel, Ihr habt vor ein paar Tagen Euer sechstes Album herausgebracht. Müsstest Du nicht auf Tour sein, Bier trinken, Interviews und Autogramme geben und in Clubs anstatt zuhause in Stockholm abzuhängen?
Daniel Johansson: Wir tourten bereits im Mai. Jetzt, da das Album erschien, begann die Festivalsaison. Im November gehen wir wieder auf Clubtour.
Du holst Deine Kinder nachher aus dem Kindergarten ab. Waren sie schon mit Friska Viljor auf Tour?
Wir könnten es versuchen, aber im Moment haben wir einfach zu viele Kinder in der Band! Mein ältester Sohn war mit uns auf Tour, als er zehn Monate alt war. Seitdem kommt er hin und wieder mal vorbei. Schon drei Kinder im Tourbus machen uns fertig, das ist wie im Wilden Westen. Mit fünf Kindern wäre es absolut unmöglich, noch Arbeit geregelt zu kriegen.
Wenn ihr im Herbst wieder unterwegs seid, kümmert sich Deine Frau alleine um die Kids?
Meine Frau arbeitet auch, wir lösen das über meine Eltern und Schwiegereltern. Sie ziehen abwechselnd für die zweieinhalb Tourwochen bei uns ein. Sie sind in Rente, leben teilweise 400 Kilometer weit weg und haben entsprechend Bock, mit ihren Enkeln Zeit zu verbringen.
Rock’n’Roll und Familienleben, ist das kein Widerspruch?
Wenn es zuhause richtig wild her geht, ist es schlimmer als auf Tour. Meinen Tag heute startete ich auf den Knien: Zwischen 6:20 Uhr und 7:30 Uhr habe ich die Kacke meines Jüngsten eingesammelt. Auf Tour habe ich das noch nicht getan! Aber es stimmt: Man vermisst die Freiheit, mal nichts planen zu müssen. Dieses Leben ist vorüber. Du musst Wochen planen um bloß ein Bier mit Freunden zu trinken. Es braucht viel Logistik, um Familie und Beruf am Laufen zu halten. Das Schlimmste aber ist der Schlafmangel. Wenn ich auf Tour gehe, freue ich mich vor allem auf die ein oder andere Nacht, in der mich keiner weckt!
In Eurem neuen Song „In My Sofa“ singst Du über diesen Alltag als Vater.
Das Problem mit dem Sofa ist: Wir leben in einem sehr kleinen Appartement. Einer von uns muss sich immer mit ein oder zwei Kindern hinlegen, damit sie einschlafen. Danach hast du selbst eine Art Nebelschleier über den Augen, den Rest der Nacht verbringst du im Zombie-Modus. Wenn du dich mit einem kleinen warmen Körper in einen dunklen Raum legst, wirst du verdammt müde. Danach bist du im Sofa wie verankert.
In My Sofa I’m Safe von Friska Viljor auf tape.tv.
Könnt ihr als kleine Indieband mit Familien von der Musik leben? Ist Friska Viljor Dein Hauptberuf?
Das meiste meines Einkommens kommt nicht von Friska Viljor. Ich verbringe auch abseits davon viel Zeit im Studio. Entweder schreibe ich Songs, mache Werbemusik, produziere andere Bands, mische fremde Aufnahmen. Oder ich gehe als Lichttechniker mit anderen Musikern auf Tour.
Was für deine Familie sehr anstrengend sein muss.
Ich versuche im Moment günstig zu leben und kaum Geld auszugeben, damit ich eben nicht so oft mit anderen Bands unterwegs sein muss. Letzten Sommer hatte ich 35 Konzerte mit einem anderen Künstler, außerdem Festivalshows mit Friska Viljor. Ich war also kaum da – genau zu der Zeit, wenn du am ehesten bei deinen Kindern sein solltest. Das deprimiert sehr. Bevor unser erstes Kind zur Welt kam, tourte ich mit Lykke Li und mit Friska. So kam ich auf rund 250 Reisetage in jenem Jahr. Es ist unmöglich soviel zu touren ohne eine Scheidung zu provozieren.
Bei Euch muss es hoffentlich nicht soweit kommen.
Bisher nicht, nein. Ich habe rechtzeitig versucht, die Touren mit anderen Bands einzuschränken. Das sind aber gleichzeitig die, die gutes Geld bringen und dir die Miete zahlen. Es ist ein Balanceakt.
Vermisst Du heimlich einen 9-5-Job?
Letztes Jahr hatte ich seit September eine Art 9-5-Job. Ich brachte die Kids in den Kindergarten, danach ging ich ins Studio. Dort trank ich einen Kaffee, spielte Piano und begann zu schreiben. Nach dem Mittagessen schrieb ich weiter und holte nachmittags die Kinder vom Kindergarten ab. So ging das von Montag bis Freitag für 9 oder 10 Monate. Ich liebte es wirklich, hatte aber auch weniger Einkommen in der Zeit.
Wie fand Deine Frau das?
Der Vorteil: Zuhause bin ich mein eigener Boss. Solange ich keine Deadline für bestimmte Mixings oder Aufnahmen habe, kann ich meine Zeit frei einteilen. So konnte ich Lasse gestern zum Beispiel problemlos aus dem Kindergarten abholen. Meine Frau hatte ein Meeting und hätte nicht so schnell kommen können.
Im Pressestatement zu Eurem neuen, übrigens sehr poppigen und teilweise schlagereskem Album heißt es: „Wir haben zusammen mittlerweile fünf Kinder, sprich eine Familie, für die wir sorgen. Dadurch ist uns bewusst geworden, dass wir das Ganze noch ernster nehmen müssen, wenn es auf lange Sicht funktionieren soll. Ich will nicht, dass es nach Ausverkauf klingt, aber wir wollen Friska Viljor mit diesem Album auf ein neues Level heben.“ Ich übersetze das mal: Ihr macht gefälligere Songs, damit mehr Menschen Eure Musik kaufen und ihr Eure Familien besser ernähren könnt?
Als ich mir das fertige Album anhörte, erschien mir das von Dir Zitierte im Nachhinein wie eine Erklärung dafür, dass es poppiger klingt. Wir diskutieren das nicht vor den Aufnahmen. Es kam bloß so. Ich hobbyanalysierte unsere Psychologie. Vielleicht hätte die Platte ohne Kinder genauso geklungen, wer weiß. Uns wurde jedenfalls in den letzten zwei Jahren klar, dass wir nicht für zwei Monate auf Tour sein können – so sehr wir es lieben – und dann mit roten Zahlen nach Hause kommen.
Wenn das so bliebe, dann…
…müssten wir Friska Viljor fortan anders behandeln, wie ein Hobbyprojekt. Wir müssen unsere Familie ernähren, so sieht es aus. Wir stehen gerade an der Kippe dazu, mit Friska etwas mehr Geld zu verdienen. Im Moment teilen wir die Einnahmen mit unseren Musikern, Backlinern und Technikern gleichmäßig auf. Da bleibt ungefähr soviel bei hängen wie wenn ein 17-Jähriger Nachtschichten am Kiosk an der Ecke kloppt. Das ist nicht mehr drin wenn du 38 Jahre bist und in deiner Band fünf Kinder hast.
Wie lange kannst Du Dir entsprechend Friska Viljor noch vorstellen?
Ich würde gerne sagen: bis wir sterben oder keinen Spaß daran haben. Wenn wir aber mittelfristig mit den Finanzen nicht besser über die Runden kommen, müssen wir das Touren eindämmen.
Hast Du als Musiker Elternzeit nehmen können?
Für Joakim und mich funktionierte es ganz gut. Joakim nahm zwölf Monate frei, ich sechs bis sieben Monate während der Albumaufnahmen. Es ist einfach toll zuhause zu sein und die Kinder besser kennenzulernen.
In Deutschland nehmen die meisten Väter, wenn überhaupt, zwei Monate Elternzeit. Oft aus finanziellen Gründen, oft aber auch, weil es dem Chef nicht passt oder weil sie Angst haben, im Job zuviel zu verpassen.
In Schweden gibt es gerade eine große Diskussion darüber. Einige Parteien wollen Eltern zwingen, die Elternzeit 50/50 aufzuteilen. Entweder Du machst es so oder du kriegst gar nichts!
Weil sonst der Großteil wieder an den Frauen hängen bliebe?
Bisher gibt es drei Monate nur für den Vater. Wenn der die Zeit nicht nutzt, kriegt die Regierung ihr Geld zurück. In der Diskussion geht es um die Gleichheit der Geschlechter. Vater sollen zur Elternzeit gezwungen werden, damit nicht die Mütter alleine mit den Kindern zuhause bleiben. Das schadet ja auch ihrer Karriere: Danach verdienen sie schlechter, was sich wiederum negativ auf ihre Rente auswirkt. So stecken Frauen plötzlich in einer schlechten Ehe fest, weil sie nicht die ökonomische Kraft haben, dort auszubrechen. Der 50/50-Split wird in ein paar Jahren passieren, glaube ich.
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