Seit ein paar Wochen darf ich, neben Little Years und dem Deutschen Schulportal, auch Kolumnen für den Berliner „Tagesspiegel“ schreiben. Auf Papier! Meine Kolumne auf den dortigen Familienseiten heißt „Oh, Mann!“. Hier ist Folge 1, die am 17. Dezember 2022 „im Blatt“ erschien und in der er es um kranke Kinder und deren Betreuung geht.
Über Krankheitstage meiner Kindheit fällt mir nicht viel Schlechtes ein: Ich lag rum, durfte schon vormittags glotzen, nach Feierabend brachte mir meine alleinerziehende Mutter eine Hörspielkassette von „Benjamin Blümchen“ mit. Das funktionierte, weil wir im Haus meiner Oma wohnten und somit immer jemand da war, der, nein, die sich kümmerte. Jetzt, da ich selbst Elternteil bin und in Berlin ohne große Sippschaft lebe, sehe ich kranken Kindern unentspannter entgegen. Und das nicht wegen der Erkrankung selbst.
Erwerbsarbeitende Eltern kennen die Zerreißprobe besonders seit Beginn der Pandemie zu genüge: Selbst, wenn beide, wie meine Frau und ich, theoretisch gut im Home Office arbeiten können, ist das mit den lieben Kleinen, ob krank oder gesund, kaum oder nur mit Unterbrechung möglich. Wir besprechen uns dann meist, wer am jeweiligen Tag dringlichere Dinge zu tun oder Präsenz-Meetings auf der Agenda hat, der oder die andere nimmt sich dann mehr Zeit für die sogenannte Care-Arbeit.
Wichtig finde ich, dass diese Abwägung auf gegenseitiger Wertschätzung basiert: Nur weil Papa mehr verdient, darf Mama nicht automatisch diejenige sein, die zuhause bleibt. Eltern müssen heute immer noch aufpassen, nicht in alte Rollenbilder zu verfallen, von denen wir uns doch zumindest in Lippenbekenntnissen ach so losgelöst sehen.
Mit den alten Rollenbildern erhält man nämlich auch den Gender Care Gap, also das in Wochenstunden gerechnete Ungleichgewicht zwischen Männern und Frauen in puncto Erziehung, Kinderbetreuung und Haushalt, aufrecht – und trägt damit dazu bei, dass sich auch der Gender Pay Gap, die Lohnlücke, trotz gleicher Ausbildung und Qualifikation nicht verkleinert. Und: Sollen unsere Kinder wirklich lernen, dass immer nur Mama da ist, wenn es drauf ankommt?
Mir ist bewusst, dass die geschilderte Entscheidung für Mütter und Väter, deren Beruf physische Präsenz verlangt, eine noch schwierigere ist. Wer meldet Kinderkrankentage an oder, einfacher, gleich sich selbst krank?
Nein, früher, etwa in meiner Kindheit in den Achtzigern, war nicht alles besser, bloß die Aufgaben – oft zum Nachteil der Mütter – klarer verteilt. Ob Corona, RS oder bloß die gute alte Grippe: Wir dürfen uns nicht von einem Virus in diese alten Rollenbilder drängen lassen.