Alleinerziehende in Armut – verantwortlich sind auch die Väter

Die aktuelle Energiekrise ist eine von Männern gemachte. Die Folgen kennen wir. Inflation, Rezession, alles wird teurer, die Zukunft ist ungewiss. Insbesondere für alleinerziehende Mütter ist die Lage schwierig. Und ihre Lage geht viel zu oft auf die Kappe von (abwesenden) Vätern, die Rollenklischees entsprechen. Eben deshalb könnten sie der Schieflage aber auch entgegentreten. Meine aktuelle Kolumne für LittleYears.de.

a family inside a store
Einkaufen wird dieser Tage ohnehin immer teurer – erst recht mit Kindern und für Alleinerziehende, bei denen das Geld aus Gründen wie den folgenden besonders knapp ist. (Photo by cottonbro studio on Pexels.com)

Sarah weiß nicht weiter. Seit sie und ihr Mann sich vor anderthalb Jahren trennten, lebt die 33-Jährige als alleinerziehende Mutter zweier Töchter in Duisburg. Sie ist Diplom-Sozialpädagogin im öffentlichen Dienst. Bei einer Vollzeitstelle stehen ihr 3480 Euro brutto im Monat zu. Sarah kann aber nicht in Vollzeit arbeiten. In einem Wohnprojekt hilft sie Menschen mit Autismus, Angststörungen, Schizophrenie und Depressionen, ihren Alltag zu meistern. In ihrem eigenen Alltag fehlt ihr Hilfe. Weil sie sich alleine um Kinder und Haushalt kümmern muss, arbeitet sie in Teilzeit und verdient für 60 Prozent einer Vollzeitstelle, also 22,4 Stunden pro Woche, knapp 2000 Euro brutto im Monat.

In Deutschland gibt es rund 2,6 Millionen Alleinerziehende, die meisten von ihnen sind Frauen. 40 Prozent von ihnen leben unterhalb der Armutsschwelle. Viele von ihnen stecken in der Teilzeitfalle. Sie arbeiten. Und es reicht nicht. So auch Sarah: Weil ihr Mann damals Vollzeit arbeiten ging und das Geld nach Hause brachte, war sie wie so viele Mütter der Elternteil, der sich um Kita-Eingewöhnung und Co. kümmerte. Mittlerweile ist sie getrennt und für eine Vollzeitstelle hat sie keine Zeit, zum Beispiel weil die Öffnungszeiten der Kita acht Stunden plus Hin- und Rückweg nicht decken würden und weil ein Hortplatz nach der Schule erst noch organisiert werden müsste. Von ihrem Einkommen bleibt nichts übrig. Ihr Konto steht immer im Minus, jeden Einkauf musste sie schon vor Beginn der aktuellen Inflation und Energiekrise dreimal abwägen. Anderen geht es noch schlechter, sagt sie. Immerhin habe sie noch ein Auto, einen Hund und Eltern, die ihr manchmal etwas zustecken. Manche Männer behaupten: In die Teilzeitfalle ist sie selbst getappt. Deren Umgehung wäre in Sarahs Beziehung – ihr Ex arbeitete nach der Geburt der Kinder mehr als vorher, kümmert sich seit der Trennung nur dürftig und mogelt bei Einkommensangaben zwecks Unterhaltsberechnung – aber gar nicht möglich gewesen, behaupte ich.

Ich kenne Sarah nicht persönlich. Ihre Geschichte wurde vor ein paar Wochen in der „Zeit“ unter der Überschrift „Die Krisenmanagerin“ erzählt. Sie steht stellvertretend für viel zu viele andere, und sie nimmt dieser Tage, Wochen und Monate an Fahrt auf, weil die Energiepreise derart steigen und wegen Inflation der Wert des eigenen Ersparten so stark sinkt, dass selbst die sogenannte Mittelschicht nicht nur den nächsten Urlaub überdenkt, sondern auch den Umfang und die Qualität des nächsten Einkaufs. Auf Instagram forderte die Anwältin und Elternrechtsexpertin Sandra Runge, Gründerin der „Pro Parents“-Initiative, im November, dass neben steuerfreien Inflationsprämien und der Erhöhung des Kindergeldes um ein paar Euro vor allen Dingen das seit seiner Einführung 2007 nicht erhöhte Elterngeld an die Inflationsrate angepasst werden müsse. Zur Veranschaulichung teilte sie eine Direktnachricht einer Followerin, die ihr schrieb, dass sie gerade bei Aldi an der Kasse einer weinenden Mutter begegnet sei, die ihren Einkauf nicht bezahlen konnte, weil der Dispo schon überzogen war. Die Absenderin habe den Einkauf dieser Frau übernommen. Die habe ihr unter Tränen erzählt, dass sie 300 Euro Elterngeld bekäme, dem Unterhalt für beide Kinder hinterherrennen müsse und das Geld so nie reichen würde. Auf Twitter lese ich täglich von ganz ähnlichen Erfahrungen.

Mir persönlich wurde selten eindringlicher bewusst, welch Privileg es ist oder bisher war, dass meine Frau und ich nicht jeden Cent dreimal umdrehen müssen. Dass wir uns Handwerker und Möbel und einen neuen Rasenmäher für unseren Kleingarten samt Massivhäuschen sowie die Spritkosten für Hin- und Rückweg leisten können. Dass ich mein Fahrrad reparieren lasse, wenn Licht und Bremsen hinüber sind, anstatt mich selbst daran zu versuchen. Dass wir drei Streamingdienste im Abo nutzen und im Supermarkt auch oft spontan Lebensmittel oder Süßigkeiten in den Einkaufswagen legen, auf die wir gerade Bock haben. Dass die Kinder sich am Späti mal ein „Ninjago“-Comic oder Sammelkarten kaufen dürfen. Und dass ich mit ihnen ins Frei- oder Hallenbad gehe und neben den Eintrittspreisen manchmal sogar noch eine überteuerte Portion Pommes drin ist. Nein, auch wir sind keine Topverdiener. Aber es hat bisher stets für ein kurz- und mittelfristig relativ sorgenfreies Leben in Berlin-Kreuzberg gereicht. Eines, dessen Ausgaben im Laufe des kommenden Winters auch zunehmend auf den Prüfstand werden kommen müssen und bei dem es schon ohne die aktuell steigenden Lebenshaltungskosten für großes Ansparen nie so recht reichte.

(…)

Folgt Marie und Isabel auch gerne auf Instagram. Und mir sowieso!

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