An Eltern von Schulkindern werden derart viele Informationen, Fragen und Aufforderungen herangetragen, dass schon deren Bedenken und Erledigen ein Vollzeitjob wäre. Käme da nicht zu dem ganzen Mental Load noch die eigentliche Erwerbsarbeit und Familienorganisation dazu. Zum Jahresabschluss ein erschöpftes Fazit in meiner neuen Kolumne für das deutsche Schulportal.
Als Reaktion auf meine vorherige Kolumne, in der es um Elternabende und, halbwegs ironisch, um die Vermeidung von Verantwortung und zusätzlichen Aufgaben bei Elternsprecherwahlen ging, bekam ich eine E-Mail. Ein gewisser Matthias schrieb mir, dass er darüber zwar gelacht habe – dieses Lachen sei ihm aber im Halse stecken geblieben. Er sei viele Jahre Vorsitzender eines Landeselternrats gewesen und wisse, dass elterliche Ehrenämter schwer zu besetzen seien und manchmal lästige Arbeit bedeuteten, ihre Wichtigkeit aber „ganz im Ernst“ deutlicher hervorgehoben werden müsste. Er findet: „Eltern sollen ihre Interessen artikulieren können, das System Schule vermittelt bekommen, die an ihren Kindern handelnden Personen kennenlernen und insgesamt das Bildungssystem mit seinen Ansätzen und Nöten verstehen und letztlich mithelfen, ihre und alle Kinder für ein gesellschaftsfähiges Leben gut aufzustellen.“
Lieber Matthias, liebe weitere Mitlesenden: Ich stellte und stelle das natürlich keineswegs infrage. Worüber wir aber sprechen müssen, ist die Alltagslast, die auf Eltern im Allgemeinen und Eltern von Schulkindern im Speziellen wie eine Gewitterwolke liegt, die sich niemals so ganz verziehen will.
Hier ein unvollständiger Auszug von Aufgaben und Bitten, die seit Schuljahresbeginn aus zwei Klassen zweier Schulen an uns herangetragen wurden. Wahrscheinlich exemplarisch für Nachrichten, die auch viele andere Eltern in der Republik so kriegen:
- „Liebe Eltern, von Ihnen fehlt mir noch Ihre Stimmabgabe, was die Projektwoche betrifft. Gestern sendete ich dazu eine Mail. Bitte schreiben Sie mir Ihre Meinung bis heute Abend.“
- „Nächste Woche Mittwoch wird gestreikt. Das bedeutet, dass kein geregelter Unterricht stattfinden kann.“
- „Wer kann beim Schul-Flohmarkt den Klassenstand betreuen? Kuchenspenden sind auch gerne gesehen.“
- „Wie angekündigt schreiben wir nächste Woche unseren großen 1×1-Test. Beim heutigen Schnell-Rechnen hat sich gezeigt, dass Ihre Kinder noch Übungsbedarf haben. Bitte animieren Sie Ihr Kind zum Üben der 1×1-Reihen!!“
- „Bei einem Kind in der Klasse wurden leider Läuse gesichtet, bitte kontrollieren Sie in den nächsten Tagen die Haare Ihrer Kinder regelmäßig.“
- „Wer kann eine Station beim Weihnachtsbasteln übernehmen?“
- „In der Klasse sind heute erneut Kopfläuse festgestellt worden. Bitte kontrollieren Sie die Köpfe Ihrer Kinder im Interesse aller Kinder, Lehrer:innen, Erzieher:innen und Eltern! Vielen Dank!!!
- „Bitte denken Sie daran, dass der Hort morgen geschlossen ist. Bitte holen Sie Ihr Kind um 12 Uhr von der Klasse ab.“
- „Heute und morgen entfällt die erste Stunde. Ihr Kind kann später kommen oder im Frühhort betreut werden.“
- „Der für morgen geplante Ausflug muss leider entfallen.“
- „Wegen Elternsprechtag keine Schule am Dienstag!“
Diese beispielhafte Auflistung will ich nicht als Affront gegen das Lehrpersonal verstanden wissen – im Gegenteil, engagierte Lehrer:innen sind ja nun auch nicht immer selbstverständlich. Es ist nur so: Über Freizeitstress zwischen Fußballtraining, Arztbesuchen, Playdates und Co auf der einen und eigener (bei Schließtagen kaum zu bewältigenden) Erwerbs- und Carearbeit auf der anderen Seite haben wir da noch nicht einmal gesprochen.
Und – ho ho ho! – dann steht ja auch noch das Fest der Besinnlichkeit vor der Tür. Zeit zum Durchschnaufen bleibt dabei nicht: Adventskalender basteln oder kaufen, Wunschzettel schreiben (lassen), Geschenke besorgen und einpacken, einen Baum (vom Baumarktparkplatz) fällen, dekorieren, Treffen mit Familien und Freund:innen und dazugehöriges Festessen organisieren, es mindestens den Kindern schön machen.
Aber klar und ebenfalls ganz im Ernst: Das sind private und Erste-Welt-Probleme von Privilegierten. Wie es Menschen mit zum Beispiel weniger Zeit und Geld, weniger Deutschkenntnissen, sozialem Auffangnetz oder partnerschaftlicher Unterstützung geht, mag ich mir gar nicht erst ausmalen.
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