„Fikkefuchs“ auf Netflix im Stream: Wie notgeil der Vater, so der Sohn

So unterhaltsam wie widerwärtig: In der 2017 im Kino und nun auf Netflix im Stream erschienenen Satire „Fikkefuchs“ werden zwei schwanzgesteuerte Vollidioten porträtiert. Ihre wahre Überspitzung in Zeiten von „Me, Too“ liegt wohl leider darin, dass sie so überspitzt gar nicht ist.

Erste Reihe im Anbagger-Seminar: Thorben (Franz Rogowski) und sein Vater Rocky (Jan Henrik Stahlberg) in „Fikkefuchs“ (Alamode Film)
Erste Reihe im Anbagger-Seminar: Thorben (Franz Rogowski) und sein Vater Rocky (Jan Henrik Stahlberg) in „Fikkefuchs“ (Alamode Film)

Von Harvey Weinstein, Kevin Spacey und Dustin Hoffmann konnten sie nichts wissen. Damals, vor vielleicht vier Jahren, als Drehbuchautor Wolfram Fleischhauer die Idee zu „Fikkefuchs“ hatte, ließ er sich von einem Theaterstück inspirieren, das aus weiblicher Sicht Sexualität und Identifikation mit dem eigenen Geschlecht thematisierte. Fleischhauer wollte den Blick ändern: Unter welchem buchstäblichen und psychischen Druck stehen eigentlich Männer in einer Gesellschaft, die das Patriarchat gerne längst hinter sich gelassen hätte und Feminismus Männer angeblich in Bedrängnis bringt? Klar, ein konservativer bis ekelhafter Standpunkt, den neben Männerrechtsbewegungen auch die in „Fikkefuchs“ auftretende Anbagger-Trainerin Wilson vertritt. Also ein Standpunkt, der eine wunderbare Grundlage für eine Satire darstellte, die die von Regisseur Jan Henrik Stahlberg gedrehte Low-Budget-Produktion in ihren besten Momenten durchaus geworden ist. Leider aber ist „Fikkefuchs“ nicht nur ein unterhaltsamer, inmitten von „Me Too“-Debatten „pünktlich“ erschienener, sondern im Nachgeschmack auch widerwärtiger Film geworden.

Thorben (gut wie immer: Franz Rogowski) ist ein schwanzgesteuerter YouTuber und redet in seinen Videos nur vom Ficken. Frauen kriegt er in Wahrheit aber keine ab. Von seinem biologischen Vater Richard „Rocky“ Ockers (auch gut: Stahlberg) will er deshalb baggern lernen. Er lauert ihm in Berlin auf, weil seine Mutter ihm erzählte, Rocky sei einst der bekannteste Stecher von Wuppertal gewesen. Mit seinem Charme hätte er sie alle haben können, und in dem Moment, in dem der unverhoffte Vater seinem Sohn die Tür zu seiner Altbauwohnung öffnet und wieder verschließt, hätte Thorben wissen müssen, dass die Geschichten seiner Mutter entweder Lügen oder sehr sehr lange her sind. Nach anfänglicher Distanz nimmt der halbglatzköpfige Agenturmitarbeiter Rocky die Herausforderung an und schwadroniert ellenlange Monologe über Frauen und die Kunst des Flirtens und der Liebe. Nur nebenbei erfährt man: Thorben hat eine Kassiererin missbraucht und war in psychologischer Behandlung. „Die bot sich an, die wollte das“, behauptet er auch danach gegenüber Rocky, der an einer Stelle von „nur versuchter Vergewaltigung“ spricht, genau erfährt man das als Zuschauer nicht.

„Fikkefuchs“: Zwei armselige Möchtegern-Ficker

Und hier beginnt das Problem von „Fikkefuchs“: 104 kurzweilige Minuten lang schaut man einem wahrscheinlichen Vergewaltiger und seinem erbärmlichen Vater dabei zu, wie sie Saufen und Baggern gehen, an einem „Pick-Up“-Kurs teilnehmen und Gleichgesinnte treffen, Frauen als Objekte degradieren und sich einreden, das Richtige zu tun. Thorben etwa hat einen Ehrenkodex, er will „naturgeile Weiber“ und verachtet Nutten und kriegt natürlich nichts davon. Bis zum Finale von „Fikkefuchs“ – dessen ach so lustig klingender Titel schon eine Verharmlosung darstellt, weil das Wort nur einmal im Film auftaucht, nämlich kurz vor der wahrscheinlichen Vergewaltigung – findet keine Läuterung bei den Protagonisten statt, belohnt werden diese Oberloser trotzdem. Sympathie für zwei schwanzgesteuerte Vollidioten, selten war sie so fehl am Platz, von Regisseur und Hauptdarsteller Stahlberg sowie Drehbuchautor Fleischhauer aber ist sie mindestens geduldet. Klar, Satire darf alles – für eine rundum gelungene Satire fehlt es „Fikkefuchs“ aber an Subtilität, Zwischentönen und Kommentaren, die über die überspitzte Darstellung von männlichem Sexualtrieb hinausgehen.

Die reflektierendste Erkenntnis von Rocky ist die, dass es ihm, dem Getriebenen, nie im Leben besser geht als in den wenigen Momenten, nachdem er Sex hatte. In diesen wenigen Stunden danach fühle er sich wirklich frei, nicht getrieben, geradezu entspannt. Bis der Trieb in sein Glied und seinen Körper zurückfährt.

Die Erkenntnis des Zuschauers nach so vielen Lachern wie Ekel-Szenen: Am Ende hat man mit „Fikkefuchs“ immerhin einen so unterhaltsamen wie polarisierenden Film gesehen, dessen reflektive Aufarbeitung in den Diskussionen darüber stattfindet. Und das ist nicht das Allerschlechteste, was man über einen Film sagen kann.

„Fikkefuchs“-Kinotrailer:

„Fikkefuchs“, seit 14. August 2018 auf Netflix verfügbar

(Dieser Text erschien zuerst auf musikexpress.de)

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