Was Väter durch den Kiez treibt. Heute: Marcus mit Tibo im Berlin-Neuköllner Elterncafé „Le Johann Rose“.
Das da oben sind Marcus und Tibo. Marcus ist 34 Jahre alt und Product Designer bei „Soundcloud“, Tibo zehn Monate und ein Baby. Bevor sein Vater und ich ins Gespräch kommen, lernen sich Tibo und Kid A flüchtig kennen: Beide hocken sie, eher desinteressiert, vor der Feinmotorikschleife auf einem alten Autostraßenteppich im Elterncafé „Le Johann Rose“ in Berlin-Neukölln, Pannierstraße Ecke Pflügerstraße. Ein Café, in dem wir übrigens öfter sind und Marcus und Tibo vielleicht auch nicht zum letzten Mal.
Freitagmittag im Café, Du musst offenbar nicht arbeiten?
Richtig, ich habe gerade Elternzeit. Fünf Monate. Seit zwei Monaten schon und noch bis Anfang Februar.
Komplett alleine oder mit Tibos Mama auch zuhause?
Alleine. Den ersten Monat haben wir zusammen gemacht.
Und das klappt besser oder schlechter als erwartet?
Besser als erwartet, aber jetzt geht so langsam die Phase los, in der mir die Ideen ausgehen, was man machen kann mit Kind. Babyschwimmen oder musikalische Früherziehung steht zum Beispiel noch auf meiner Wunschliste.
Was machst Du denn überhaupt mit ihm, um die Zeit rumzukriegen? Er ist ja noch nicht in dem Alter, in dem er selber rumrennen und seine Umwelt erforschen könnte.
Nee, das ist richtig. Ich habe ihm Matschhosen gekauft, dann gehen wir zum Beispiel mal in den Görlitzer Park oder dahin, wo viel Sand ist. Da sitzt er dann rum und macht natürlich noch nicht viel, guckt aber Tiere an und sieht bei den anderen Kindern, was er bald selbst so machen kann.
Und frisst nicht bloß den Sand?
Nee, ein paar Äste hat er dafür schon gekostet. Hält sich sonst in Grenzen.
Jetzt treffen wir Dich und Tibo im Elterncafé „Le Johann Rose“. Warum seid Ihr gerade hier?
Weil meine Freundin mir gesagt hat, dass es hier eine Krabbelecke gibt. Bin auch erst das zweite Mal mit Kind hier, habe aber gemerkt, dass ich vor ein paar Jahren schon mal hier war. Damals, 2008 oder 2009, war es eines der wenigen Cafés in der Gegend, die schon W-Lan hatten.
Tibo ist jetzt zehn Monate alt. Was war bisher der schönste sowie beschissenste Moment mit ihm?
Es gibt mehrere kleine Momente, die total oder weniger cool sind. Alle drei bis vier Wochen gibt es kleine tolle Sachen, wenn sie plötzlich irgendwas neu können. Brabbeln, krabbeln, der erste Aufstehversuch, wenn man merkt, dass sie mehr verstehen und kombinieren. Neulich hat Tibo zum ersten Mal sein Spielzeug wieder allein in die Box geräumt. Das sind kleine Momente, in denen man merkt, dass er ein richtiger Mensch wird. Und schlechte fallen mir gerade keine ein…
Gibt es denn eine konkrete Sache, auf die Du Dich jetzt schon freust, sie gemeinsam mit Deinem Sohn zu erleben? Zum Beispiel sein erster Stadionbesuch?
Das auf jeden Fall! Ich freue mich schon, wenn er mit mir das erste Mal in die „Alte Försterei“ geht.
Ach, Du bist Fan vom FC Union Berlin?
Ja, aber so schnell wird das wahrscheinlich nicht passieren. Ich freue mich auch schon darauf, ihm kleine Spielsachen zu bauen. Elektronik-Spielereien.
Wahrscheinlich hast auch Du jetzt deutlich weniger Freizeit als Du es ohne Kind noch hattest.
Ja und nein. Ganz am Anfang hatte ich gar keine Freizeit, weil einfach immer irgendwas los war. Inzwischen habe ich mich ein bisschen arrangiert mit den Zeiten, in denen er schläft. Dann finde ich immerhin eine bis anderthalb Stunden am Tag, wo ich ein paar Sachen machen kann.
Was machst Du in dieser überschaubaren Zeit?
Ich versuche, ein paar E-Mails zu beantworten, solche Dinge. Ist natürlich nicht viel Freizeit, außerdem muss man ja so oder so auf Abruf sein. Im Vergleich zum Anfang müssen nun aber nicht mehr alle Sachen ewig liegen bleiben.
Abgesehen von weniger Freizeit – was vermisst Du besonders aus der Zeit vorm Vatersein?
Ähm… durchaus meine Arbeitskollegen, auch wenn das blöd klingt!
Die wirst Du ja wahrscheinlich wieder sehen.
Genau, und da freue ich mich schon drauf. Ansonsten finde ich, dass man am Ende ja gar nicht auf soviel verzichten muss. Manches kann ich sogar öfter machen als vorher, zum Beispiel in Ausstellungen gehen, und das zu Zeiten, an denen nicht jeder reinrennt.
Welche denn zum Beispiel?
Jetzt gerade war ich beim „Monat der Fotografie“, in einer Galerie neben dem Heimathafen. Fotos von Neukölln, das war eine sehr schöne Serie. Ich habe leider vergessen, wie die Fotografin heißt.
Und was macht Tibo währenddessen?
Na der ist dabei. Entweder wach oder nicht wach. Meistens versuche ich es so zu legen, dass er wach ist, wenn wir unterwegs sind. Dass er zuhause schlafen kann und ich ein paar Sachen fertig kriege.
Klappt bloß bestimmt nicht immer so, wie man sich das wünscht.
Nee, leider nicht. Aber, ach, jetzt fällt mir eine Antwort ein auf Deine vorherige Frage, was die größte Enttäuschung bisher war.
Und zwar?
Ich habe mir vorgenommen, selbst essen zu kochen für ihn. Bio-Kartoffeln, Broccoli, Zuchini, was ich alles gekauft habe – und dann gedünstet und püriert. Und dann? Hat ihm das überhaupt nicht geschmeckt!
Das kommt mir bekannt vor! Und was schmeckt ihm, die Gläschen?
Genau, die Gläschen, die isst er! So ernüchternd. Ich dachte, ich tue ihm was richtig Gutes! Und dann fand er das ekelhaft.
Weil ich Dir diese Fragen hier für ein Blog gestellt habe: Lest Ihr selbst im Internet übers Kinderkriegen und -haben? Oder in Büchern? Oder gar nicht?
Nicht so viel, um ehrlich zu sein. Wenn, dann liest eher meine Freundin. Die hatte sich ein Buch gekauft während der Schwangerschaft um zu wissen, was gerade los ist mit dem Kind. Und als es da war, gab es hier und da mal Tipps für neue Eltern. Oh, und dann haben wir so eine App, „Hilfe, ich wachse“, oder so…
„Oh je, ich wachse“.
Genau, die ist super, die zeigt dann immer solche Wolken an, wenn er einen Schub hat.
Aber das passt nicht immer richtig, finde ich. Ein bisschen wie bei Horoskopen – mit viel Interpretation vielleicht.
Schon, aber ich glaube, sie hat uns zu dem Grundverständnis verholfen, dass es einfach immer Phasen gibt, in denen das Kind nicht so gut drauf ist, man danach aber damit belohnt wird, dass es mehr kann.
Benutzt Du noch andere Apps, die direkt oder indirekt mit Deinem Kind zu tun haben?
Ich hatte so’ne Schwangerschaftsapp. Die ist praktisch, weil man dadurch wenigstens ein bisschen mit schwanger sein kann.
Weißt Du noch wie sie hieß? Vielleicht „Babycenter“? Wo du jede Woche siehst, wie weit das Kind nun ungefähr entwickelt ist?
Genau, die war es. Und man kriegt auch E-Mails!
Ach guck, die beiden hab ich im Johann Rose auch schon mal gesehen. Kleines Neukölln. Ich mag diese Reihe! Warte immer darauf, dass ich mal jemanden aus der Nachbarschaft erkenne. Und zack, passiert 🙂