Die ewig währenden Still- und Impfmythen

Mit manchen medizinischen Mythen darf gerne aufgeräumt werden. Aber wie ist das denn jetzt mit dem Stillen? „Zeit Online“ versucht sich an einer Antwort – und kassiert sofort Gegenwind.

"Die Märchen der Medizin", auch erschienen in der ZEIT 43/2014 (Screenshot)
„Die Märchen der Medizin“, auch erschienen in der ZEIT 43/2014 (Screenshot)

Die Überschrift provoziert bereits Klicks: „Die 20 wichtigsten Medizin-Mythen und … … 5 Mythen, an die sogar Ärzte glauben“ betitelt „Zeit Online“ einen Text des Autors Jan Schweitzer, in dem es immerhin halbwegs um das geht, was versprochen wird. Unter anderem wird darin mit dem Irrglauben aufgeräumt, nachts essen mache dick. Oder dass Dehnen während des Sports wichtig sei. Oder dass man Rotz in der Nase nicht hochziehen dürfe. Auch aber heißt es, in Punkt 8, dass längeres Stillen überbewertet sei:

8. Ein Kind sollte möglichst lange gestillt werden

In mancher Krabbelgruppe herrschen raue Sitten. Dort gilt nur als gute Mutter, wer ausgiebig und ausdauernd stillt. Und auch der Fachmann weiß, dass Muttermilch tatsächlich die perfekte Nahrung für Säuglinge ist. Bleibt die Frage: perfekt für wie lange Zeit? Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt sechs Monate ausschließlichen Stillens, erst dann sollte zugefüttert werden. Ein Grund für diese Empfehlung ist, dass sie sich vor allem an Länder richtet, in denen die Mütter kein Geld für teures Milchpulver haben und die hygienischen Bedingungen für die Zubereitung künstlicher Milch oft recht unzureichend sind. Ein weiterer Grund ist: Stillen soll Allergien vorbeugen. Doch diese Sichtweise ändert sich gerade. Einige Experten vertreten neuerdings die Meinung, dass das genaue Gegenteil der Fall ist. Zu langes, ausschließliches Stillen ebnet möglicherweise Allergien den Weg. Werde ein Kind länger als vier Monate bloß mit Muttermilch ernährt, komme der Magen-Darm-Trakt nicht in Kontakt mit fremden Stoffen, und das Immunsystem könne nicht richtig lernen, später mit diesen umzugehen – das wiederum erhöhe das Risiko einer späteren Allergie. Noch ist diese Frage nicht endgültig beantwortet, aber man kann sagen: Vier Monate volles Stillen sind absolut ausreichend.

Nur vier Monate volles Stillen? Welch Kampfansage! Im Ernst: Kid A wurde immerhin sechs Monate voll gestillt, und mein, nein, unser Bauchgefühl sagt mir, dass es ihm nicht schadet, auch mit über einem Jahr zumindest noch morgens und abends gestillt zu werden. Im Gegenteil: Wenn er mal krank ist, will er leider so gut wie gar nichts essen und trinken – die Brust geht zum Glück aber immer. Das Stillthema jedenfalls sorgt immer wieder für Diskussionen, so auch jetzt, auf der Facebook-Seite von „Zeit Online“. Auch Bloggerin Anja Constance Gaca zum Beispiel hat schon öfter über ihre Erfahrungen, Einschätzungen ge- und gegen Mißverständnisse angeschrieben. Und sie sollte es wissen, sie ist Hebamme. Noch.

Es gibt im „Zeit Online“-Listicle aber noch einen anderen Punkt für Eltern, in dem es um ein noch viel größeres Reizthema geht. Nämlich ums Impfen:

11. Kinder, die Kinderkrankheiten wie Masern durchmachen, haben ein besser geschultes Immunsystem

Eines kann man sicher sagen: Wenn Kinder an Masern erkranken, müssen sie nicht nur sinnlos leiden, sie schweben in der nicht zu unterschätzenden Gefahr, auch an einer Lungenentzündung zu erkranken oder gar an einer Entzündung des Gehirns (Enzephalitis). Beide Erkrankungen können tödlich verlaufen. Lohnt es sich also, auf eine Masernimpfung zu verzichten und dieses Risiko einzugehen, nur um ein vermeintlich schlagkräftigeres Immunsystem zu haben? Nicht einmal das stimmt. Nichts deutet darauf hin, dass durchlittene Infektionen tatsächlich das Abwehrsystem besser stärken als eine Impfung. In medizinischen Studien jedenfalls zeigen sich solche Erkenntnisse nicht. Das Immunsystem kann auch nicht erkennen, ob ein fremder Eindringling ein „natürliches“ Masernvirus ist oder ein abgeschwächtes Impfvirus – es stürzt sich einfach auf den Fremdling und speichert seine typischen Merkmale, um bei einem späteren Befall sofort gegen den Feind vorgehen zu können. Deswegen schützt eine Impfung vor Kinderkrankheiten wie Masern und macht gleichzeitig das ganze Immunsystem fit.

 

Ich finde ja: Impfgegner sind sozusagen die Xavier Naidoos der Kinderschulmedizin. Gut, ich habe keine Ahnung von Medizin, auch nicht von Biologie, Homöopathie oder Lobbyismus. Aber ich bin mir sehr sicher, dass die drei überstandenen Sechsfachimpfungen Kid A und seinen KiTa-Kumpels langfristig mehr helfen als schaden (Rota-Impfung exklusive). Und jetzt macht mich fertig.

5 Gedanken zu „Die ewig währenden Still- und Impfmythen

  1. Da hast du dir ja gleich zwei Themen ausgesucht, über die es gerne Diskussionen gibt 😀
    Für meinen Teil halte ich es so:
    Stillen soll jeder machen, wie er denkt, aber nicht impfen finde ich unverantwortlich, denn das kann gefährlich werden für die Kinder. Solche Krankheiten muss kein Kind mehr haben. Nun dürft ihr mich auch schlagen 🙂

  2. Als Noch-Nicht-Mutter wage ich es auch mal, meine Meinung zu sagen. 😉 Bei dem Text ums Stillen geht es doch eher darum, dass man nicht „ausschließlich“ stillen muss. Er widerspricht doch eigentlich nur der Auffassung, dass man nicht zufüttern darf. Es wird ja nirgends gesagt, dass man nicht auch ein Jahr stillen darf, man sollte nur auch andere Nahrung anbieten.
    Und zu Punkt 2 sage ich mal als „Kind“: Ich wurde gegen alles geimpft, was nur geht. Hat mir nie geschadet.

  3. Danke Danke Danke für diesen Beitrag! Nicht impfen ist nicht nur den Kindern gegenüber nicht fair, nicht impfen ist auch einfach asozial. Warum? Es gibt tatsächlich Menschen die Impfungen nicht vertragen und deshalb keine Möglichkeit haben sich zu schützen. Für diese Menschen besteht der beste Schutz in einer großen Herdenimmunität. Je mehr Menschen geimpft sind, desto weniger besteht die Gefahr für die, die sich nicht impfen lassen können, zu erkranken. Das gleiche gilt für kleine Kinder, die noch zu jung sind zum Impfen. Die sind nur geschützt wenn möglichst alle Kinder, die geimpft werden können auch geimpft sind.
    Ich habe mich jetzt vor kurzem noch über meine Krankenkasse geärgert. Es gibt wohl eine neue Impfung (gegen was habe ich allerdings grade vergessen) die auch sinnvoll ist, wie unser Kinderarzt sagt. Aber meine Krankenkasse übernimmt die Impfkosten nicht. Wenn wir das selber tragen wären das ca. 900 Euro für 2 Kinder. Das können wir nciht bezahlen. Statt diesen homöopathischen Schrott zu zahlen, sollte die Krankenkasse lieber mal wirklich sinnvolle Dinge zahlen. Sonst fühl ich mich wie bei einer Zauberervereinigung aber nicht wie bei wissenschaftlich denkenden Menschen.

  4. Bin gespannt , was der Anti-Impf-Pöbel macht, wenn demnächst bei uns die absolute Quarantäne kommt. Die müßten doch eigentlich ihre Kinder in die Corona-Krankenstuben schicken und sich selbst mit. Oder bleiben sie lieber draußen, diese Assis? Und was wird werden, wenn – geben’s Allah, Gott und Zeus- dereinst die Anti-Corona-Impfung zur Verfügumng steht einschließlich Impfpflicht für alle…

  5. Nachdem meine Tochter mit eins nach der MMR Impfung einen Schlaganfall hatte, bin ich wohl das was man einen Impfgegner schimpft.
    Es gibt keine zweite MMR für sie. Selbst wenn sie sich wieder vollständig erholen sollte.

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