Under Pressure: Wenn Kinder und Eltern funktionieren müssen

Ich wollte Schule für meine Kinder nie mit Druck verbinden. Die Realität aber holte mich ein: Ohne ein Mindestmaß geht es leider nicht, wenn man sich dem System nicht komplett entzieht. Und wer kann sich das schon leisten? Meine April-Kolumne für das Deutsche Schulportal.

Bart Simpson schreibt mehrfach an die Tafel: „Wer nicht funktioniert, verliert.“

Hach, wie naiv ich als Vater war, damals, 2018, als Schule noch ein grauer Punkt am schier endlosen Horizont in der Entwicklung meiner Söhne war! „Ich will nicht, dass meine Kinder lernen zu funktionieren. Im Gegenteil: Sie sollen kritisch sein, hinterfragen und ihren eigenen Talenten und Interessen nachgehen“, schrieb ich wohlfeil in einem Text auf meinem Blog unter der Überschrift „Was meine Kinder in der Schule wirklich lernen sollen (neben Lesen, Schreiben und Rechnen) – und was nicht“. Natürlich kam es, wie immer bei Eltern, die etwas mit ihren oder für ihre Kinder planen, anders. Grundsätzlich sehe ich das zwar immer noch genauso. Jetzt, da unser älterer Sohn die dritte Klasse besucht, weiß ich aber: Wer in unserem Schulsystem nicht mindestens ein Stück weit funktioniert, verliert.

Wir als Eltern wollten Lernen nie mit Druck verbinden. So wie aber jedes Kind zum Glück anders ist, hat es auch verschiedene Stärken und Schwächen. Unser Dritti etwa liest schon seit seiner Zeit als Ersti wie ein Vierti (ja, so reden Eltern und Lehrer:innen). In Mathe steht er eher auf dem Level eines Zweitis und wehrt sich gegen jede Form des Kopfrechnens. Da fangen die Probleme an: Wer bestimmt, welches Können und Verstehen für ein neunjähriges Kind „normal“ oder „angemessen“ ist und welches nicht? Welche:r Erwachsene wurde jemals gefragt, ob er oder sie mit 8 oder 13 dividieren konnte?

Unüberlegte Sprüche und Mimik bei der Hausaufgabenhilfe

Eigentlich spielen solche Vergleiche doch auch keine Rolle. Hauptsache, man kann es irgendwann mindestens so gut, dass man sich beim Einkauf und der Arbeit nicht abziehen lässt. Wer es in unserer Leistungsgesellschaft zu etwas bringen will oder soll, tut aber gut daran, gewisse Anforderungen nicht zu kritisch zu hinterfragen. Und weil ich weiß, dass ein Schulkind in Klasse 4 und 5 richtige Probleme bekommt, wenn es den Grundstoff aus Klasse 1 bis 3 nicht verinnerlicht hat, wende ich bei der Hausaufgabenhilfe zu oft mehr Druck und unüberlegte Sprüche und Mimik an, als mir lieb ist.

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