„Fatherhood“ auf Netflix: Wenn Mama das geschafft hätte, schafft Papa das auch

Ein Comedian in einer ernsten Rolle: In „Fatherhood“ spielt Kevin Hart einen Vater, der sich nach dem postnatalen Tod seiner Frau allein um ihre Tochter kümmern will und wider allen Umständen wird – und zum Glück nur die Klischees nicht umschiffen kann, die von der Gesellschaft an ihn herangetragen werden.

Macht sich Vorwürfe, weil er einen Sturz seiner Tochter Maddy (Melody Hurd) in der Schule indirekt mitverursacht haben könnte: Matt, gespielt von Kevin Hart (Credit: PHILIPPE BOSSE/NETFLIX © 2021)
Macht sich Vorwürfe, weil er einen Sturz seiner Tochter Maddy (Melody Hurd) in der Schule indirekt mitverursacht haben könnte: Matt, gespielt von Kevin Hart (Credit: PHILIPPE BOSSE/NETFLIX © 2021) 

Die als Feelgood-Drama getarnte romantische Komödie „Fatherhood“ beginnt mit einer Beerdigung: Matt, so lernen wir durch Rückblicke, hat seine Frau verloren. Sie starb kurz nach der Geburt ihrer gemeinsamen Tochter Maddy. Der Witwer steht plötzlich allein mit Baby da und will das trotz unüberschaubarer Hürden auch nicht anders: Gut gemeinte Hilfsangebote seiner Mutter und seiner Schwiegermutter („Zieh‘ zu uns nach Minnesota!“) schlägt er aus. Sein logisches, richtiges und wichtiges Argument: Wenn eine Frau alleinerziehend sein kann, warum dann auch nicht er?

Von dieser Entscheidung an wissen wir als Zuschauer*innen im Grunde, wie der auf den Memoiren von Matthew Logelin („Two Kisses for Maddy: A Memoir of Loss & Love“) Film „Fatherhood“ verlaufen und enden wird: Gesellschaft, Wirtschaft, eigene Ansprüche und nicht zuletzt das Baby selbst werden den liebenswürdigen Matt an den Rande des Wahnsinns bringen – in seiner Aufgabe scheitern wird er nicht. Dass seine Tochter für ihn immer an erster Stelle kommt, macht ihn im Grunde ja schon unangreifbar (außer für seinen Chef).

Die größte Stärke von „Fatherhood“ liegt derweil darin, dass nur die gängigen Klischees wiederholt werden, die das Umfeld an Väter tatsächlich leider noch viel zu oft heranträgt: „Wo ist denn die Mutter?“, wird er ständig auf dem Spielplatz gefragt. „Die anonymen Alkoholiker sind nebenan!“, sagt ihm eine Müttergruppe, als er Hilfe suchend an ihrem Kurs teilnehmen will. „Ich gebe Dir alle Zeit der Welt!“, sagt sein Chef gönnerhaft, als Matt nach dem Tod seiner Frau und der Geburt seiner Tochter nach einer Auszeit fragt und schiebt hinterher: „Vier, fünf, von mir aus auch sechs Wochen!“ Matt selbst lässt Regisseur Paul Weitz nicht in die gleiche Falle tappen: Anders als in viel zu vielen Elternkomödien ist er nicht der Idiot Dad, der alles falsch macht und trotzdem dafür beklatscht wird. Er ist schlichtweg ein Elternteil, der in seine neue Rolle erst hineinwachsen muss. Eben so, wie es Mütter genau so müssen.

Ein paar Schwachstellen weist „Fatherhood“ dennoch auf: Der Plot, dass der IT-Angestellte Matt Karriere trotz oder sogar wegen Kind machen kann, mag empowernd gemeint sein – unwahrscheinlich erscheint es dennoch, als Elternteil eines Kleinkindes über Wochen oder Monate hinweg auf Dienstreisen gehen zu können (und zu wollen), wenn eben kein anderer Elternteil da ist. Auch ist’s irgendwie doof, dass so etwas Dramatisches wie der Tod der Mutter passieren muss, damit Väter die Hauptverantwortung übernehmen wollen und müssen. Sollen wohl auch die letzten Zuschauer*innen denken und kapieren: Okay, ER hat ja nun wirklich keine andere Wahl! Zumal die Handlung umgekehrt wohl kaum eine wäre: Wäre der Vater gestorben, würde hier eventuell kein Drama erzählt werden. Nein, abwesender Väter sind ja gesellschaftlich gesehen keine Ausnahme.

Ein Film, der für mehr Selbstverständlichkeit von aktiven und anwesenden Vätern wirbt

Matt geht trotz Verlust seiner Frau als – Achtung, Spoiler! – dreifacher Gewinner aus der Geschichte hervor: Seine neue Freundin liebt ihn für seine selbstaufgeberisches Vatersein, seine Verwandtschaft lernt ihn dadurch ebenfalls neu kennen. Sein Chef kommt um Matts Qualitäten auch nicht umhin. Selbst seine smarte Tochter, der Matt nicht immer gerecht werden kann, wird eines Tages einsehen, dass ihr Vater sich für die richtigen Dinge (Hosen statt Röcke auch für Mädchen an der Klosterschule) eingesetzt hat. Dass Matt trotzdem seinen Kumpels gegenüber zweifelt, er habe für seine Tochter nur das Mindeste hingekriegt – Füttern, Anziehen, am Leben halten – und schulterklopfend zu hören kriegt, er habe viel mehr geschafft als alle gedacht hätten, stellt ihn leider unfreiwillig auf ein höheres Podest als nötig: Klar hat er als Vater nicht versagt – aber sind die Ansprüche an Väter im Vergleich zu Müttern also wirklich so gering?

Am Ende bleibt ein Film, der für mehr Selbstverständlichkeit von aktiven und anwesenden Vätern wirbt, also ein guter. Und, am Rande, auch einer, in dem fast ausschließlich Schwarze Personen mitspielen und der deshalb für mehr Diversität auch in unseren Köpfen sorgt. Wir haben unsere Kinder mitgucken lassen (und nur an wenigen Stellen vorgespult), weil sie nicht schlafen konnten oder wollten. Nach Hautfarben hat keiner von ihnen auch nur einmal gefragt.

„Fatherhood“, 109 Minuten, mit Kevin Hart, Alfre Woodard, Frankie R. Faison, Lil Rel Howery, DeWanda Wise, Anthony Carrigan, Melody Hurd und Paul Reiser, Regie Paul Weitz, seit 18. Juni 2021 auf Netflix im Stream verfügbar

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