Wenn alles zu viel wird: Die Miniserie „MaPa“ wirft einen bedrückend echten Blick auf frischgebackene Eltern und Alleinerziehende am Rande der Verzweiflung. Mit humoristischen Überhöhungen, die wohl Protagonisten und Zuschauer*innen durch die sechs sonst so deprimierenden Folgen retten sollen.
Metins Freundin Emma ist tot. Woran sie innerhalb weniger Wochen starb, erfahren die Zuschauer*innen der neuen Miniserie „MaPa“ erst im Verlauf der sechs halbstündigen Folgen, der Handlung tut die fehlende Detailinformation aber nichts zur Sache: Metin ist plötzlich alleinerziehender Vater seiner wenige Monate alten Tochter Lene. Seine Aufgabe, die nun sein neues Leben sein wird, nimmt er ernst und kämpferisch. Die Situation meistert er anfangs trotzdem mehr schlecht als recht. Eben so, wie es jedem Menschen mit einem solchen Verlust und einer solchen Belastung gehen würde.
Metins Wohnung ist ein Chaos, die Beziehung zu seiner Mutter von Ablehnung geprägt. Seine Freunde überraschen ihn am Abend seine Geburtstags. Metin hat keinen Bock auf Ausgehen, er will nur schlafen und seine Ruhe haben. In Metins neuem Alltag geht es zwar fast ausschließlich um Erziehungsfragen und um Klobürsten als Lieblingsspielzeug, aber nicht nur: Mit den halbstarken Jugendlichen aus der Nachbarschaft kommt er gut klar und sieht sie als das, was sie sind – eine andere Nachbarn aber wittert in deren Rumhängen den Untergang des Abendlandes, weil die Teenager einen Migrationshintergund haben und deswegen an allem Schuld sein müssen, was ihre Ruhe so stört. Als wahre Rassistin enpuppt sich denn aber auch Metins Mutter, die wegen Lärmbelästigung die Polizei rief: Sie hätte nicht in Ruhe staubsaugen können.
Eltern finden sich wohl oder übel in fast jeder Szene von „MaPa“ wieder
In Rückblicken lernen wir mehr über die Beziehung zwischen ihm und seiner verstorbenen Freundin Emma (Lia von Blarer): Wir sehen, wie sie zusammenziehen. Wie sie nicht schwanger werden wollen. Wie sie irgendwann an Hochzeit denken und den richtigen Standesbeamten dafür suchen und bei einem ehemaligen Pfarrer landen, der mit der katholischen Kirche noch eine Rechnung offen hat. Wie der die, nun ja, unkonventionelle und chaotische Trauerrede zur Beerdigung von Emma hält. Wie sie doch schwanger wurde, das Baby da ist und seine Eltern auf der Couch sitzen, „jerks.“ glotzen und zwischendurch nach dem Neugeborenen sehen. Wie die Mutter nachts am schreienden Kind verzweifelt und nur noch raus und weg will. Wie Eltern sich fast pflichtschuldig an Sex versuchen, während das Baby zwei Meter weiter liegt. Das sind so Szenen, die alle Eltern kennen und sich mit Freud und Leid daran erinnern werden. Menschen, die noch keine Kinder haben, werden sich nach „MaPa“ noch besser überlegen, ob sie wirklich welche haben wollen.
So ist „MaPa“ viel mehr als nur ein Einblick in den Alltag von Alleinerziehenden am Rande des Nervenzusammenbruchs und der Isolation, die ein Baby auch abseits von Corona so mit sich bringt. Es ist ein warmherziger und intimer Blick auf das Innenleben von Endwanzigern, die zwischen Kinderwünschen und Karriereplänen mit sich selbst und der Welt um sie herum hadern.
Die Metaebene hätte es nicht gebraucht
Es geht um Väter, die sich nicht oder nur schlecht um ihre Kinder kümmern. Es geht um wahre Abgründe wie reale Zukunftsangst, die dazu führt, das Metin auf eine Weihnachtsfeier und nicht ans Telefon geht, als seine hochschwangere Freundin anruft. Es geht um das ständige Hin- und Hergerissensein zwischen „es bleibt die Hölle“ und „Alles wird besser“. Nur die plötzlich hinzukommende Metaabene braucht es nicht: Metin kehrt zur Arbeit zurück und liest dort eine Drehbuchszene wie aus seinem eigenen Leben liest. Vorne steht „MaPa“ drauf, seine Produktionsfirma dreht gerade exakt die Serie, die wir sehen, nur mit anderen Schauspielern und Metin als Teil des Autorenteams. Truman Burbank lässt grüßen.
Metin ist sehr nahbar, schluffig und herrlich normal gespielt von Max Mauff („Sense 8“, „Tatort“, „Stromberg – der Film“), seine gute Freundin Matha (Maryam Zaree) hingegen dürfte vielen als Toni Hamadys Frau Kalila aus „4 Blocks“ bekannt sein. Wünschenswert, wenn diese Serie trotz vorerst exklusiver Ausstrahlung auf dem neuen Streamingdienst joyn, der sie gemeinsam mit dem RBB produzierte, ein größeres Publikum findet. Weil sie zeigt, wie anstrengend und gleichzeitig erfüllend es sein kann, Kinder zu haben und zu erziehen. Und weil es eine so tragische wie auch lustige Serie aus Deutschland ist, in der es um eine realistischere beziehungsweise lebensnähere Parallelwelt als etwa die von Gangstern und Kleinkriminellen. Eltern wissen, wovon ich spreche. Meine Frau wollte übrigens nach zweieinhalb Folgen nicht weitergucken. Ihr Zwischenfazit: „Gute Serie, aber sie frustriert mich zu sehr.“
„MaPa“, 6 Folgen, seit 16. April auf Joyn Plus+ im Stream zu sehen
„MaPa“-Trailer: