Neulich in einer KiTa in Berlin-Treptow*. Eine Mutter fragt den kleinen Jungen vor ihr, wie er denn wohl hieße. Mehr schüchtern als stolz antwortet er der fremden Frau: „Perschelbär!“ „Wie bitte?“, fragt sie zurück, das hat sie wohl akustisch nicht verstanden. „Perschelbär“, sagt ihr der Junge seinen Namen, jetzt noch verunsicherter, erneut ins Gesicht. Die Frau lächelt, wendet sich ab und sucht Rat bei einer Erzieherin. Wie dieser Junge da vorne denn wohl heißen würde, fragt sie. Die Antwort bringt die Erkenntnis: Der Junge heißt Pierre-Gilbert.
Pierre-Gilbert könnte einem nun leid tun, aber er ist ja nicht allein mit seinem Namensproblem: Allein in Deutschland wurden 2012 immerhin rund 670.000 Kinder geboren, und alle wollen sie irgendwie gerufen werden. Die beliebtesten, weil meistvergebenen Namen 2013 lauteten Ben, Luca, Paul und Jonas für Jungen und Mia, Emma, Hannah und Sophia für Mädchen. 2014 haben bisher Luis und Finn nochmal aufgeholt. Kinder mit diesen Namen sind heute das, was in der Generation ihrer Eltern die Sebastians, Nadines, Stephans, Andreas, Markus, Melanies und so weiter waren – und in der Generation unserer Eltern die Günthers, Wolfgangs, Hans-Dieters, Ursulas, Mechthilds, Werners und so fort. Und es kommt ja alles zurück: Weit oben in den Hitlisten stehen auch längst wieder Paula, Maria, Anton, die Söhne von Freunden etwa heißen Gustav und Johann. Die Namen unserer Großeltern. Ich warte nur darauf, bis Eltern ihre Kinder wieder Heribert nennen, wie zum Beispiel mein Opa hieß.
Neben den Trendnamen, die ja eigentlich Klassiker sind, weil sie immer wiederkehren, verirren sich auch regelmäßig Neuheiten und Kinderfoltereien in die Geburtsbücher: Von den US-Trailerparks und Profisportligen adaptierte Namen wie Jermaine, Justin, Jayden, Samantha, Sandy und Co. über Trashklassiker wie Kevin und Chantal und Absurderes wie Chayenne Marie, Lilli Fee, Ryan-Lakota und Bulette (!) bis hin zu gut gemeinten Doppelrufnamen (Fynn-Ole! Theo-Balduin!) sind der Kreativität dem Stumpfsinn keine Grenzen gesetzt, solange das Standesamt es zulässt (das Jugendamt fragt in solchen Fällen leider keiner). Die Einflüsse sind aber immer öfter auch popkultureller Natur: So wurden 2012 etwa allein in den USA 146 Mädchen Khaleesi getauft, nach Emilia Clarkes Charakter in der HBO-Fantasyserie „Game of Thrones“. Walter (siehe „Breaking Bad“) müsste also auch bereits zurück sein. Vielleicht sollten verzweifelte Fast-Eltern doch lieber das Internet nach dem Namen ihres Kindes fragen. Oder – Tipp! – notfalls die Dankeskarten vorm Kreißsaal studieren.
Dabei sind die Überlegungen, die sich werdende Eltern zu stellen haben, doch denkbar naheliegend, finde ich. Schön kurz und auch international halbwegs verständlich sollte der Name eines Kindes sein. Nicht zu hip, nicht zu weit draußen. Er darf keine Erinnerungen an blöde gleichnamige Bekannte wachrufen. Außerdem muss ich ihn einerseits ruhigen Gewissens über den Spielplatz rufen können und andererseits meiner Verantwortung dafür nachkommen, dass mein Kind auch bei späteren Bewerbungen nicht gleich ausgemustert wird. Auch wenn er oder sie kein Arzt oder Anwalt werden will.
Mein Sohn heißt übrigens Mio (und einen Zweitnamen im Pass hat er auch). In der Hoffnung, dass uns die Zukunft im Kindergarten und danach nicht eines Besseren belehrt.
*So berichtete mir zumindest eine Freundin, deren Tochter in die gleiche KiTa geht.
Da lob ich mir doch unseren Ferdinand (mit passendem, französischem Nachnamen!).
Zu „Mio“ enthalte ich mich besser
Unlängst einen Niels-Ole kennen gelernt und ihn sofort abgeurteilt. Chantallismus eben.
Zu „Ferdinand“ enthalte ich mich dann besser auch!