Zum Weltfrauentag: Mein Text aus der aktuellen Ausgabe des ELTERN-Magazins darüber, dass es nicht nur für Mütter gut ist, wenn Väter mal aus der Arbeitswelt zurück- und ins Familienleben eintreten. Sondern auch für sie selbst.
Machen wir uns und der Welt nichts vor: Mit der Geburt unseres ersten Kindes verschlimmbesserte sich das Leben schlagartig und zum Teil auch in Raten. Stillen, Windeln wechseln, schlaflose Nächte – kriegten wir irgendwie hin. „Wir“ hieß aber zunächst: meine Frau. Schließlich war sie es, die nach kurzen Nächten endlos lange Tage mit weinendem Baby auf dem Arm und mehr Rändern als Augen verbrachte, während ich nach zweiwöchigem Urlaub wieder Vollzeit ins Büro flüchtete. Arbeitende Elternteile wissen: Dort hat man zwar mehr Ruhe als zu Hause, ich hatte aber vor allem ein schlechtes Gewissen. Was kann ich aus der Ferne für die Familie tun? Wie platt auf einer Skala von 0–10 ist meine Frau heute? (Meistens 12.) Schläft der Kleine wenigstens gerade einen seiner drölf mühsam anzuberaumenden Tages-Naps?
Zu Hause wiederum dachte ich an all das, was auf der Arbeit noch zu erledigen sei. Ich war mit dem Kopf nie dort, wo mein Körper war. Keine Zeit, darüber hinaus gar den Bedürfnissen meiner überlasteten Frau oder meinen eigenen gerecht zu werden. Die nächsten Monate und Jahre, besonders nach der Geburt unseres zweiten Kindes, glichen einer Logistikhölle. Schon vom Alltag zwischen Schreibtisch, Drogeriemarkt, Bauchtrage und Kindergartentransporten war ich ausgelastet bis überfordert. Wer soll da noch an Pläne denken, die weiter als eine Woche in der Zukunft liegen? Oder gar an Karriere? Wir steckten in einer Lose-lose-lose-Situation, ich fluchte täglich über die von mir so getaufte Verkeinbarkeit. Am Rande der Erschöpfung und des Nervenzusammenbruchs sprach meine Frau aus, woran ich anfangs nur halbherzig dachte (weil sie mehr litt als ich): Es muss sich etwas ändern.
Nachdem meine zweite Elternzeit länger als die erste war und ich innerhalb dieser Zeit auch Teilzeit arbeitete, nach insgesamt neun Monaten aber doch wieder in der Vollzeitfalle landete, entschieden wir uns für eine dauerhafte Stundenreduzierung meiner Erwerbsarbeit. Finanziell leisten konnten wir sie uns, weil wir gespart hatten, weil sie dem Konto nur relativ schadet – und meine Frau dafür ja nun auch wieder Geld verdiente.
Seitdem ist nicht alles gut, aber vieles besser: Meine Frau hat neben Kinderkram endlich wieder Luft für Kreativität im Kopf sowie Zeit und Energie für eine berufliche Selbstständigkeit gefunden. Ich bin ein anwesender Vater, der auch die Schuhgrößen, Freunde und Arzttermine seiner Kinder kennt. Ich kann mir nicht mehr vorstellen, bis 18 Uhr im Büro zu hocken und die wilden Kerle erst zur Schlafenszeit zu sehen. Ich wünschte mir, dass kein Elternteil so leben muss. Weil, entschuldigt das Pathos, niemand eines Tages im Sterbebett bereuen wird, zu wenig gearbeitet zu haben. Nein: Mein Alltag ist durch unsere Neuaufteilung nicht stressfreier geworden. Aber sinnvoller.
Dieser Text erschien im ELTERN-Magazin 03/2020