Ganz die Eltern: Unsere Jungs werden wohl niemals Feinschmecker. Aber welche Kinder essen schon wirklich gesund und ausgewogen? Wer jetzt „meine!“ ruft oder denkt, kriegt keinen Nachtisch!
Verklären wir zu Beginn gleich mal die Stillzeit: Nie war es einfacher, den Nachwuchs satt zu kriegen, als an Mamas Brust. Alles drin, alles dran! Stets wohltemperiert! Immer frisch, immer da! Naja: In Wahrheit liegen zwischen Geburt und Milcheinschuss ein paar bange Tage, und auch danach läuft längst nicht alles rund beziehungsweise raus. Ich habe das Geräusch der elektrischen Milchpumpe auch Jahre später noch im Ohr, erinnern Sie meine Frau (und mich) lieber gar nicht erst an diese erste von vielen noch kommenden postnatalen Feddich-Phasen.
Mit der ersten Beikost kam ein Garkocher ins Haus. Welch idyllische Idee, frisches Obst und Gemüse stets selbst und ohne Zusatzstoffe zuzubereiten! Doch Pustekuchen: Ob Möhrchen, Steckrübe, Fenchel oder püriertes Biofleisch – unser Erstgeborener spuckte alles wieder aus, wie in so einem schlechten „Herr Ober!“-Witz. Seine spürbare Aussage: „Nicht mit mir, Ihr ambitionierten Anfänger!“
Den Ratschlag, dass Kinder in vielen kleinen Dosen essen sollen, haben wir sodann zu wörtlich genommen: Breie und Gläschen aus dem Drogeriemarkt bunkerten wir fortan in allen Variationen. (Tausendfach kontrollierte) Industriepampe, die schmeckt den kleinen Gastrotrollen! Während unserer Elternzeitreise entlang der Côte d’Azur waren die Wohnmobil-Hängeschränke bis unters Dach gefüllt mit Windeln, Wechselkleidung und konservierter Kindernahrung. 15 Jahre früher hätte ich in ähnlich rauen Mengen Bierdosen und Ravioli fürs Festival-Wochenende eingepackt. So müde und gerädert wie damals auf dem Zeltplatz fühlte ich mich als Vater nun auch ohne Alkohol und Rockmusik.
Nach dem Anfangsfrust der ersten Monate mit dem Neugeborenen freuten wir uns auf die nächsten Essenphasen – und wurden abermals enttäuscht. Auch wenn sie Zähne haben, gilt: Essen mit Kleinkindern macht keinen Spaß. Jeder Restaurantbesuch war rausgeworfenes Geld, jeder Versuch, mal etwas anderes als Nudeln mit Soße zu „kochen“, verschwendete Lebenszeit. Es dankte einem keiner. Die kulinarische Experimentierfreudigkeit unseres Sohnes glich der eines Bauern: Er aß nichts, was er nicht kannte. Das Gereichte landete auf Tisch und Boden. Der eine Elternteil war zusätzlich genervt, wenn der andere länger als zehn Minuten am Herd stand und in dieser Zeit allein dem Kinderwahnsinn überlassen wurde. Und selbst wenn das Dinner zumindest uns Erwachsenen eigentlich schmeckt, kann es wegen der, nun ja, angespannten Atmosphäre bis heute keiner so recht genießen. Mein Tipp an junge Eltern: Bleibt bei Nudeln, Brot oder Pommes, die gehen bei uns immer. Und wenn die Racker schlafen, gönnt Euch was vom Sushi-Lieferdienst.
Die
elterliche Abstumpfung empfinde ich übrigens nicht als Fluch, sondern als
Segen: So unsicher und motiviert wir an das Projekt „erstes Kind“ herangingen,
so egal routiniert läuft alles beim zweiten. Wir hätten unserem Zweitgeborenen
ohne mit der Wimper zu zucken Quetschobst an die Venen angeschlossen. Glücklicherweise
war das gar nicht nötig: Erdbeeren und Heidelbeeren atmet er, anders als sein
Bruder, genau so rasch ein wie zuckerfrei ernährte Kinder Schokokekse. Die
natürlich ebenfalls immer gehen. Und irgendwann aßen beide schon von selbst
genug.
Was auch immer es in Ihrer Familie also heute zum Mittag- oder Abendessen gibt: Piep piep piep, recht guten Appetit!
Diese Glosse erschien im „ELTERN“-Magazin, Ausgabe 12/2019