Warum der Kinofilm „Der kleine Drache Kokosnuss: Auf in den Dschungel!“ nur wenig Spaß macht

Die gute Nachricht: Wir waren mit den Jungs das erste Mal im Kino! Die schlechte: Ich wage zu bezweifeln, dass „Der kleine Drache Kokosnuss: Auf in den Dschungel“ bei ihnen einen ähnlichen Eindruck hinterlässt wie bei mir einst die zugegebenermaßen viel zu gruseligen „Feivel, der Mauswanderer“ oder „Basil, der Mäusedetektiv“. Eine Erklärung.

Im neuen Kinofilm lernen Kokosnuss, Oskar und Mathilda den Wasserdrachen Wokki kennen (Universum Film)
Im neuen Kinofilm lernen Kokosnuss, Oskar und Mathilda den Wasserdrachen Wokki kennen (Universum Film)

Ingo Siegner hat sich mit seinem kleinen Drachen Kokosnuss ein Imperium aufgebaut. Vor vielleicht 18 Jahren hatte der gelernte Bankkaufmann, Kinderbetreuer und Reisebegleiter die Idee dazu, verteilte Kopien erster Geschichten im Bekanntenkreis, 2002 erschien das erste Buch. Es folgten über ein Dutzend weitere, Hörbücher, Hörspiele, Malbücher, Merchandise, das ganze Programm. Auch unsere heimisches Medienangebot kommt nicht ohne regelmäßige Abenteuer von der Dracheninsel aus, und das sage ich gerne, weil im Vergleich zu etwa „Feuerwehrmann Sam“ die Geschichten rund um die Freunde Kokosnuss, Fressdrache Oskar, Stachelschwein Mathilda, Drachenmädchen Lulu und ihre Begegnungen mit anderen Wesen voller Quatsch, Fantasie und Wortwitz sind, Spaß machen und ohne Stumpfheit auf der einen oder erhobenem Zeigefinger auf der anderen Seite daherkommen. Mit dem zweiten Kinofilm „Der kleine Drache Kokosnuss: Auf in den Dschungel“ hat der heute 53-jährige Autor und Illustrator Siegner sich und seinem Imperium „Fans“ wie uns* aber keinen Gefallen getan oder tun lassen.

Es fängt schon bei den Postern an: Kid A und Kid B fiel an der Litfaßsäule um die Ecke schneller als mir selbst auf, dass Kokosnuss darauf orange ist und nicht rot wie im uns bekannten Original, also Büchern und CDs. Dies und der seit Jahren um sich greifende 3D-Animationslook (vgl. „Biene Maja“) legten den Eindruck nahe, es handele sich beim neuen Kinofilm um eine Fälschung – „nach einer Idee von Ingo Siegner“ steht aber schon auf den Plakaten drauf, und nicht mehr und nicht weniger wird der Film wohl geworden sein, denke ich. Dann aber lese ich die Namen der Synchronsprecher: Max von der Groeben, Carolin Kebekus und, äh, Dustin Semmelrogge.

Ohne Philipp Schepmann geht die Forschheit der Figuren verloren

Spätestens jetzt sollte der gemeine Kokosnuss-Kenner skeptisch werden: In den Hörbüchern werden ALLE Stimmen vom Synchronsprecher Philipp Schepmann gelesen, und aus dieser Nummer ziehen sie mindestens ihren halben Reiz. Schepmann wechselt nicht nur im Sekundentakt von Kokosnuss über Mathilda und Vater Magnus zu Vampirjunge Bissbert und zurück, seine kindlichen Stimmlagen sind es auch, die den von Siegner geschriebenen Wortwitz und die Forschheit der Figuren punktgenau ins kindliche (und elterliche) Kleinhirn knallen.

Wenn statt ihm nun Max von der Groeben Kokosnuss spricht, zumal eine orange Version davon, mag das aus wirtschaftlicher Sicht ertragreich sein – Produktionsfirma und Verleih versprechen sich von halbwegs bekannten Namen auf den Postern mutmaßlich mehr und neue Zuschauer –, aber den „Fans“, also Kindern und ihren Eltern, tut man damit keinen Gefallen. Wenn ich Spongebob Schwammkopf sehe, will ich Santiago Ziesmer hören. Alf muss von Tommi Piper gesprochen werden. Benjamin Blümchen von Edgar Ott, oder, weil Ott 1994 starb, von dessen Nachfolger Jürgen Kluckert. Und Kokosnuss eben von Philipp Schepmann.

Fressdrache Oskar, der besoffene Halbstarke

Im Film selbst bestätigt sich dieses Vorurteil. Das kleine Stachelschwein Mathilda klingt wie das, was ihre Sprecherin Carolin Kebekus ist: eine erwachsene, wenngleich ganz lustige Frau. Kokosnuss klingt wie ein freundlicher Teenager. Und Oskar klingt wie dessen besoffener halbstarker Kumpel. Schon wahnsinnig, wie sehr Dustin Semmelrogges Nuschelsprech dem seines Vater Martin („Aber Ratte is doch auch’n Kollege!“ – „BANG BOOM BANG“) ähnelt. Von diesem Drachenkoch, der in tiefstem Kölsch palavert und Meeresdrache Amadeus, hier ein Ur-Bayer, ganz zu schweigen.

Und die Handlung? So überschaubar wie in den Büchern: Das Drachen-Sommercamp steht an! Selbst Kokosnuss‘ Opa Jörgen nahm daran einst teil. Doch schon die Anreise gestaltet sich schwierig. Die Drachenmädchen Ananas, Mango und Pampelmuse (!) wissen alles besser. Mathilda reist als blinde Passagierin mit. Und dann kentert auch noch ihr Schiff und die Reisegruppe trifft auf scheinbar unfreundlich gesinnte Wasserdrachen. Am Ende, Achtung Spoiler, muss Amadeus aus dem Wasser steigen um die Wurzel der fleischfressenden Pflanze auszureißen, damit alle endlich in Frieden ferienlagern können.

Väterliches Fazit: „Der kleine Drache Kokosnuss: Auf in den Dschungel“ ist nicht Fisch, nicht Fleisch (oder eben doch), stellenweise platter (aber für Kinder vielleicht angebrachter) Moral von Freundschaft inklusive. Manchmal ganz niedlich, unterm Strich aber ein wenig lieblos, was man von den Büchern ja gerade nicht sagen kann. Da hätte es gewiss „spannendere“ Vorlagen gegeben, deren Story Regisseur Anthony Power („Ritter Trenk“, „Die Abrafaxe“) und die Drehbuchautoren auf 80 Minuten Spielfilmlänge hätten ausweiten können.

Ein Film mit und ohne Wiedererkennungswert

Aber hey, wir waren das erste Mal mit den Kindern im Kino! Es war der 2. Weihnachtstag, der Film eben dann angelaufen, das Programmkino bei uns um die Ecke und wir froh, endlich vor die Tür zu kommen. Vier Tickets zum Kinderpreis (24 Euro), neben uns sieben weitere Zuschauer im Saal, ein Vater nutzte die Zeit sogleich für ein Mittagsschläfchen (ich nicht, hatte es aber auch nötig). Gefallen hat es Kid A und Kid B, glaube ich, sie blieben jedenfalls fast bis zum Ende sitzen und haben neben den Hauptfiguren mit dem Grasdrachen BigBo zum Beispiel weitere alte Bekannte wiedererkannt. Auch wenn sogar Amadeus eigentlich eine andere Farbe hat, wie mich Kid A aufklärte.

Ein Erlebnis war der Kinobesuch von „Der kleine Drache Kokosnuss: Auf in den Dschungel“ also allemal. Zuhause aber lieber wieder die drölfmal gelesenen Bücher und die zerkratzten CDs. Auf denen gibt es auch das Original-Titellied „Hier kommt der kleine Drache Kokosnuss“ zu hören, das es im Film ebenfalls nicht gab (stattdessen einen wieder von Birte Hanusrichter gesungenen Titelsong). Aus Rechte- und/oder Alleinstellungsgründen, vermute ich. Oder weil alle anderen „Fans“ außer uns auch die ähnlich, aber wieder mit anderen Stimmen umgesetzte TV-Serie vorm Kinobesuch kannten.

*die die TV-Serie und den ersten Kinofilm nicht kannten und nur ahnten, worauf sie sich einlassen

„Der kleine Drache Kokosnuss: Auf in den Dschungel“ (Caligari Film / Universum Film), 80 Minuten, seit 27. Dezember 2018 im Kino

Ein Gedanke zu ”Warum der Kinofilm „Der kleine Drache Kokosnuss: Auf in den Dschungel!“ nur wenig Spaß macht

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Zurück nach oben