Kiezväter (12): Jarrod mit Keano und Fuchur

Was Väter durch den Kiez treibt. Heute: Jarrod mit Keano an der Hobrechtbrücke in Neukölln. Und mit einer Miniversion des Drachens aus „Die unendliche Geschichte“.

Jarrod mit Sohn Keano und Hund Fuchur gegenüber der Hobrechtbrücke zwischen Neukölln und Kreuzberg.
Abenddämmerung am Neujahrstag mit Unschärfe: Jarrod mit Sohn Keano und Hund Fuchur gegenüber der Hobrechtbrücke zwischen Neukölln und Kreuzberg.

Das da sind Jarrod (29), Keano (3 Monate) und Fuchur (Alter unbekannt, Name erklärt sich dafür von selbst). Jarrod kommt aus Australien, hat irische Vorfahren und ist für die Geburt von Keano nach Deutschland gekommen – dessen Mutter wohnt in Berlin. Warum dieser Nachwuchs nicht der einzige Grund für einen sehr plötzlichen Lebenswandel war, wieso er in Australien Müll verkauft und weshalb Jarrod in Berlin sein Geld als Pfandsammler verdient, hat er Kid A und mir am Neujahrstag erzählt, an dem wir ihn, Keano und Fuchur bei einem Spaziergang am Maybachufer Ecke Friedelstraße treffen.

Zuerst eine naheliegende geografische Frage, Jarrod: Wo und wie habt Ihr Euch kennengelernt, Du und Deine Freundin?

Jarrod: Wir lernten uns auf einem Flug kennen, Hannah arbeitet als Flugbegleiterin. Ich flog gerade nach Australien zurück. Sie wollte das Land bereisen, ich bot ihr an sie herumzuführen. Und nach einem Monat stellte sich heraus, dass sie schwanger ist.

Das ging schnell! Euer Sohn Keano wurde hier geboren. Plant Ihr zurück nach Australien zu gehen?

In ein paar Wochen wollen wir zurück, aber nur für drei Monate. Zukünftig wollen wir unsere Zeit bestmöglich zwischen Deutschland und Australien aufteilen. Wir arbeiten derzeit beide nicht, aber Hannah kann noch die Vorteile ihrer Airline nutzen, wir kommen an günstige Flüge. Außerdem bekommt sie gerade Elterngeld und hat Elternzeit für drei Jahre genommen.

Und Du?

Ich versuche in Australien Arbeit zu finden.

Und bist zur Zeit arbeitslos?

Richtig.

Was hast Du beruflich zuletzt gemacht?

Ich bin ein approbierter Anwalt, zuletzt aber fand ich meinen eigentlichen Traumjob: Ich arbeite auf einer Müllkippe, picke mir die guten Sachen heraus und verkaufe sie weiter. Recycling, das hat mir wirklich Spaß gemacht.

Wovon Du zurzeit bestimmt nicht leben kannst, oder?

Letzte Nacht von 3 Uhr bis 6 Uhr war ich unterwegs als Pfandflaschensammler, um hier in Berlin an etwas Geld zu kommen.

Ach! Das beantwortet die Frage, was Du an Silvester gemacht hast.

Wir waren erst aus, meine Freundin und ich, bei Freunden von ihr. Hatten ein paar Drinks in deren Wohnung und hielten es sehr traditionell, wie ich lernte: Es gab Raclette und Berliner, dazu schauten wir „Dinner For One“. Um Mitternacht sahen wir uns das Feuerwerk vom Dach ihres Hauses aus an. Gegen 3 Uhr gingen wir, und ich zog noch weiter, collecting the Pfandflasche. 

Gerade in der Silvesternacht dürfte sich das lohnen.

Ja. Unser Plan fürs nächste Jahr ist es, auf verschiedene Festivals zu fahren und dort Pfandflaschen zu sammeln. Um gleichzeitig hier in Deutschland etwas Kohle zu machen und zu reisen.

Macht das besser, solange es hier noch Flaschen- und Dosenpfand gibt. Wer weiß, ob das nicht eines Tages wieder aufgegeben wird.

Momentan ist es jedenfalls eine tolle Möglichkeit für Menschen, die kein Geld haben, ein bisschen was zu verdienen. Wir besuchten mal ein kleines Festival mit rund 500 Besuchern, sammelten nur ein paar Stunden und machten allein dadurch 120 Euro.

Das war aber vor der Geburt Eures Babys?

Ja, ziemlich direkt davor. Er wird demnächst einfach mitkommen. In Zukunft werden wir uns Festivals aussuchen, die auch eine Art Familienecke haben.

Deutschland scheint Dir ja zu gefallen.

Besonders die Option, Keano in einem Geburtshaus zur Welt zu bringen, gefiel uns sehr. In Australien habe ich davon zumindest noch nichts gehört. Es kostet ungefähr das gleiche wie im Krankenhaus, und so konnten meine Freundin und ich in Ruhe beieinander sein, sie ein Bad nehmen und das Baby mit der Hebamme dort bekommen.

In Australien musst du also ins Krankenhaus – oder das Kind im eigenen Bett kriegen?

Mehr oder weniger, ja. Ich glaube nicht, dass es dort Hebammen wie hier gibt.

In Deutschland vielleicht auch nicht mehr lange: Wegen zu hoher Versicherungssummen und schlechter Bezahlungen stirbt der Beruf zunehmend aus. Was hat sich neben dem zeitweiligen Umzug von Australien nach Berlin in Deinem Leben am meisten verändert, seit Du Vater geworden bist?

Oh, der Lifestyle wird ein komplett anderer. Vor einem Jahr hatte ich weder eine Freundin noch ein Kind in meinem Leben erwartet. Und einen Hund auch nicht! Das Leben hier ist anders, der Wunsch, ein guter Vater zu sein, ist neu, besonders herausfordernd ist dabei natürlich der Versuch, gemeinsam mit einer anderen Person gute Eltern abzugeben. Um ehrlich zu sein: Der Baby-Teil ist einfach, aber mit der Mutter klarkommen ist nochmal ein ganz anderes Paar Schuhe. Ja, mein Leben hat sich dramatisch verändert, aber es ist schwer, sich nicht Hals über Kopf in so ein kleines Baby zu verlieben.

Gibt es etwas ganz Konkretes, das Du aus Deinem alten Leben vermisst? Zum Beispiel auf Partys gehen?

Das Party-Ding hat mich noch nie so interessiert. Ich vermisse eher die Flexibilität, Dinge für mich zu tun, wie ich gerade Lust habe. Campen gehen, in die Wälder…

Kannst Du ja irgendwann mit Keano gemeinsam machen.

Stimmt, das werde ich auch. Wir haben große Pläne: Nächstes Jahr wollen wir den Camino de Santiago, den Jakobsweg, mit ihm laufen. Das wird ungefähr anderthalb Monate dauern.

Tougher Plan. Bisher macht Euer Baby alles gut mit?

Ja, Langstreckenflüge werden hoffentlich kein Problem. Vor Weihnachten waren wir ein paar Tage auf Madeira, sein erster Flug, den hat er gut mitgemacht. Er ist bisher easy going – zu unserem Glück.

Gibt es außer Campen und Wandern noch andere Aktionen, auf die Du Dich mit Keano besonders freust?

Jede Menge Abenteuer wie diese. Ich liebe Reisen, Camping, Angeln und all die Dinge, die ich schon mit meinem Vater gerne unternahm. Mein Vater war nie too keen on working, von ihm habe ich das und die Unternehmungslust wohl übernommen. Ich verbrachte gerne Zeit mit ihm und der Familie.

Deine Eltern leben aber noch?

Ja, mein Vater hat eine Indonesierin geheiratet und verbringt die Hälfte seiner Zeit in Indonesien. Meine Mutter lebt in einem Ort namens Toowoomba, anderthalb Stunden westlich von Brisbane entfernt. Dort habe auch ich ein Haus, in dem zurzeit andere Leute wohnen und die Instandhaltungskosten und die Miete zahlen.

Eine WG?

Es ist keine Community, dort leben einfach Privatmieter. Aber hier in Berlin leben wir einer Art Community, in einer WG mit acht Leuten, ein richtiges Partyhaus. Meine Freundin war eine der Personen, die diese WG vor drei Jahren gründeten. Aber jetzt müssen wir einsehen, dass es nicht der einfachste Ort mit Baby ist. Deshalb zieht Hannah dort bald aus, wir lagern all ihre Sachen bei ihren Eltern in Lüneburg zwischen.

Klingt alles ziemlich aufregend – und komplett anders als mein Lifestyle mit Vollzeitjob, fester Wohnung, Ehefrau und Kind. Vor sieben oder acht Jahren konnte ich mir das alles auch noch nicht vorstellen, habe aber irgendwann gemerkt, dass es für ein Baby nie die eine richtige Zeit gibt, irgendwas ist ja immer.

Ja, das stimmt. Ich habe auch noch einen anderen Sohn in Australien.

Oh, wirklich? Wow.

Er ist acht Monate alt. Ich hörte von seiner Existenz erst kurz bevor ich Hannah traf und sie schwanger wurde. Ich erzählte ihr davon, und jetzt hat Keano einen Bruder in fast dem gleichen Alter.

Macht das Hin- und Herreisen für Dich ja nicht einfacher. Hast Du Kontakt mit Deinem anderen Sohn und seiner Mutter?

Ich sehe ihn regelmäßig über Skype und verbrachte auch die ersten Monate mit ihnen. Ich plane, auch zwischendurch immer wieder nach Australien zu fliegen um ihn zu sehen und Zeit mit ihm zu verbringen.

Tough.

Mein Leben änderte sich von absoluter Freiheit zur zweifachen Vaterschaft in nur wenigen Wochen, aber Du hast recht: Es gibt keine perfekte Zeit dafür. Sie ist gut, wenn es passiert. Und in 20 Jahren habe ich immer noch genug Zeit, Dinge auch für mich allein zu tun.

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