Camping mit Kleinkindern – für ein kleines bisschen Festivalfeeling

Was kann da schon schief gehen außer den Heringen? Zelten mit Kleinkindern. Ein Erfahrungsbericht.

Zelten mit Kindern – was kann da schon schiefgehen?
Zelten mit Kindern – was kann da schon schiefgehen?

Ich habe keine genaue Ahnung, wann ich zum letzten Mal gezeltet habe. Es muss 2007 beim Hurricane Festival gewesen sein – mit Vollsuff schon bei der Ankunft und, im weiteren Verlauf, Pearl Jam, den Beastie Boys, Arcade Fire und jeder Menge Matsch. Es gibt gute Gründe, warum ich es seitdem nicht mehr tat, fast alle lassen sich auf mein gestiegenes Alter und damit einhergehenden körperlichen Verfall und verlagerte Interessen herunterbrechen. Jetzt, mit zwei Kindern, gibt es aber keinen Grund, Camping nicht mal wieder zu versuchen. Im Gegenteil: Auf meiner Liste der „Things to do with our kids“ stand so ein kleines Abenteuer weit oben. Am Pfingstsonntag haben wir es zum ersten Mal probiert. Auch, um vorm Umzugslärm des „Karneval der Kulturen“, der vor unserer Kreuzberger Haustür startete, zu fliehen.

Die grundlegende Frage nach dem „Wo?“ war schnell beantwortet: Statt gleich mit Sack und Pack ins Berliner Umland zu gurken oder den Dealern in der Hasenheide ihre Verstecke streitig zu machen, sollte es in den Garten der Schwiegereltern im bürgerlichen Süden Neuköllns gehen. Durch den rennen Kid A (4) und Kid B (2) eh alle paar Wochen, der ist durch eine Mauer gesichert und mit der Infrastruktur ausgestattet, die es im Wald und auf Festivals nicht gibt. Es gibt saubere Toiletten ohne Schlange, warme Decken auf Reserve sowie Abendessen, Frühstück und Kinderbespaßung von der Oma. Nur ein Zelt gab es nicht, das lieh ich mir im Vorfeld von einem Kollegen. Auf seinen Beisatz „Dass darin schon mal gefickt wurde, darüber musst Du Dir im Klaren sein“ hätte ich gerne verzichtet. Aber was hört man sich neben dem guten alten „Ratsch“-Geräusch des Reißverschlusses nicht alles an für ein kleines bisschen Festivalfeeling.

 

Der Zeltaufbau blieb unfreiwillig Chefsache: Beim Reindrücken der Heringe in den Boden wurde mir noch geholfen, danach hatte Kid A einzig Spaß daran, in den Schlafsack zu kriechen und darin darauf zu warten, dass er eine Schmetterling wurde. Vermute, die Verwandlung hat nur deshalb nicht funktioniert, weil er nicht länger als 20 Sekunden still sitzen oder liegen kann, solange er wach ist. Und wach würde er heute länger bleiben.

Bewaffnet mit Taschenlampen und drei in der großelterlichen Spielecke gefundenen Büchern („Peter Pan“, „Der kleine Rabe Socke“ und, auf Wunsch von Kid A, „3-4-5-Minuten-Geschichten mit Elsa“) krabbelten wir gegen 19:45 Uhr ins Zelt. Die Kissenschlacht und der „Spaß“, ständig den Reißverschluss aufzuziehen, auszubüxen und sich im Garten von mir fangen zu lassen, nahmen die nächste Stunde in Beschlag. Dann lasen wir über Elsas Pyjamaparty, das Eismonster und Käpt’n Hooks Hand samt Wecker im Krokodilbauch. Gerne länger als sonst, wir zelten ja nicht jeden Tag!

Müde wurde trotzdem, wie jeden Abend, viel zu lange Zeit nur ich – und gegen 21:30 Uhr auch langsam genervt. Gegen 22 Uhr müssen die Viecher eingeschlafen sein und ich mit ihnen. Erst gegen 22:30 Uhr schlich ich mich nochmal heraus und öffnete pflichtschuldig mein warm gewordenes Schlafbier, das mich nachts noch zweimal zum Wasserlassen treiben würde. Das Festivalfeeling stieg ins Unermessliche, als es plötzlich auch Musik gab: Der Freund, der mir das Zelt lieh, schickte ein Video zum Song „Das Zelt“ vom Jeans Team. Ich sah es mir sehr leise an.

Meine Erwartungen an eine Campingnacht mit Kindern waren nicht hoch: Ich dachte, dass sie abends entweder gleich ins Haus wollen oder nachts, wenn sie wach werden und es eventuell zu kalt oder zu dunkel ist. Aber als sie einmal schliefen, schliefen sie (mit mutiger Pinkelunterbrechung von Kid A) – beide auf Matratzen mit dicken Decken, ich in der Mitte auf der Isomatte mit einer zu dünnen Decke. War fast wie zuhause – einer ist fast immer wach, meistens ich.

Was ich im Vorfeld unterschätzte: Die nahe gelegene Neuköllner Straße sorgte für so viel Straßenlärm, als ob der BER doch schon eröffnet wäre. Jetzt ruft Ihr: Haha, Du träumst wohl, Fabian, und hast doch gepennt! Ja, habe ich, ein bisschen – bis zum um 4 Uhr wieder lauter werdenden Vögelgezwitscher und der gleichzeitig aufgehenden Sonne. Die beiden Sonnen neben mir folgten um 6:28 Uhr, obwohl ich auf 8 Uhr hoffte.

Am nächsten Morgen schickte mir meine Frau ein hässliches Foto: Eine Mutter hatte auf Facebook ein Bild einer Platzwunde am Kopf gepostet, die sich ihr fünfjähriges Kind auf dem „Karneval der Kulturen“ zuzog. Es stand im Publikum, als plötzlich eine Bierflasche aus dem Umzug in die Menge flog. Die Mutter sucht Hinweise über den Werfer. Wir sahen uns bestätigt: Der „Karneval der Kulturen“ ist nichts für Kinder und Familien, die Kinderversion am Tag davor im Görlitzer Park besuchte ich mit Kid A vor ein paar Jahren mal, die war wegen Überfüllung auch kaum auszuhalten.

Fazit: Die Jungs und ich fanden die Nacht in Wahrheit völlig okay, ich würde einen Selbstversuch durchaus empfehlen. Bleibenden Eindruck hat Camping bei den beiden bisher jedoch nicht hinterlassen. Und bei mir? Verkatert, unterkühlt und verschwitzt, todmüde und Rückenschmerzen und zu wenig Ruhe – kann ich als Vater auch alles beim Zelten haben, ohne 160 Euro für ein Festivalticket zu blechen!

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