Liebes Kid A*,
wow. Zwei Jahre. Herzlichen Glückwunsch, Alter! Vorweg: Wundere Dich nicht, falls Du den Schokokuchen mit Darth Vader in der Mitte nochmal bekommen hast. Zum 1. Geburtstag hatte er Dich schlichtweg nicht interessiert.
Also. Zwei Jahre. 2. Z-W-E-I. Solange bist Du Mensch gewordene Comicfigur schon auf dieser Welt. Warst trotz rund neunmonatiger theoretischer Vorbereitung plötzlich da, im September 2013. Seitdem ist nichts mehr wie es war. Für Dich sowieso nicht, Du kamst ja aus dem Nichts und musstest von einer Sekunde auf die andere mit Licht, Luft und Menschen klarkommen. Mit Mamas Brust. Und wir mit Dir! Auch nach diesen ersten Wochen, von deren physischer und psychischer Belastung werdende Eltern niemals erfahren sollten, weil die Geburtenrate sonst bald gegen Null konvergieren müsste, hast Du viel erlebt. Zwischen Stillen, Spazieren, Schunkeln und Schlafen: Reisen zum Niederrhein, nach Israel, Kroatien und durch Frankreich sowie Deinen ersten Kita-Winter, um nur ein paar High- und Lowlights zu nennen. Und was Deine Eltern dadurch erst erlebt haben! Es ist keine Untertreibung zu behaupten, dass sich unser Leben mit Dir extrem verändert hat. Nicht um 180 Grad, wir machen nun nicht das Gegenteil zu der kinderlosen Zeit. Schon vor Deiner Geburt verbrachten wir mehr Zeit mit Fernsehserien als im Club. Aber nicht auf Spielplätzen! Doch was rede ich von uns.
Es heißt, ein Kind verschaffe seinen Eltern ungeahnte Freuden. Nur vom Leid spricht keiner. Es stimmt nämlich auch, dass man als Eltern mit dauernden Sorgen lebt. Zuerst Sorgen darüber, ob das Baby genug isst, trinkt, schläft, zunimmt, ob es Schmerzen hat, ob es ihm überhaupt gut geht. Danach Sorgen über die ersten Krankheiten. Über das Fieber nach der Impfung, über den Norovirus aus der Pekip-Gruppe, der Dir Ohnmacht und zwei Krankenwagenfahrten bescherte. Über den nächsten und übernächsten aus der Kita angeschleppten Husten. Sorgen auch beim Gedanken daran, dass wir all das Schlechte in Berlin und in der Welt nicht ewig vor Dir verstecken können. Und die Freuden? Überwiegen zum Glück immer: beim Gedanken an all das Gute in der Welt, das Du noch kennenlernen wirst. Beim gemeinsamen Spielen. Bei einer neuen Grimasse, die Du schneidest, bei jedem neuen Wort und jeder neuen Bewegung, Gestik und Mimik, die Du lernst. Wenn Du und Dein bester Kitakumpel Euch morgens förmlich in die Arme fallt und vor Freude quiekt. Oder wenn die Erzieherin sagt, dass Du der Anführer Deiner kleinen Freunde wärst – und das mit gerade mal 80 Zentimetern!
Neben Stolz stellt sich zum Glück auch eine zunehmende Gelassenheit ein. Vor allem darüber, dass es egal ist, wenn andere Kinder in jüngerem Alter schon Dinge können, die Du erst noch vor Dir hast. Keine Sorge, ich spreche aus Erfahrung: Wenn Du 10 bist, fragt Dich keiner mehr, ob Du schon mit einem Jahr laufen und sprechen konntest oder erst mit drei Jahren. Und wenn doch, dann halte es bitte mit Heinrich Lohse aus „Pappa Ante Portas“ oder mit Fil.
Auch möchte ich mich bei Dir entschuldigen: Ja, es stimmt. Wir sind manchmal sehr genervt von Dir. Wenn Du quengelst, sobald wir irgendein Geschäft betreten und länger als eine Minute darin verbringen wollen. Wenn Du nachts öfter aufheulst als Deine Mutter bei der Schlussszene von „Dirty Dancing“. Wenn Du nicht eine Sekunde still sitzt, man Dir auf Schritt und Tritt folgen muss, bevor Du irgendwo raufkletterst und runterfällst. Wenn von Deinem Essen regelmäßig mehr neben Dir als in Dir landet. Wenn Du als Duracellhäschen-Bewerber immer wieder neue Energiereservate anzapfst und wir somit nicht eine ruhige Minute in Deiner Gegenwart haben. So schön Deine Quirligkeit ist, so anstrengend ist sie auch. Das nervt Deine Eltern manchmal, gleichzeitig haben wir deshalb ein schlechtes Gewissen. Sorry, Kid A – in Wahrheit hätten wir nur gerne Deine Energie.
Kid A legt derart viel Bewegungsdrang an den Tag – den „Wachturm“ wird er wahrscheinlich nie verkaufen können.
— Fabian Soethof (@soethof) 26. August 2015
Wäre ich unsere Reinigungshilfe und sähe die Küche direkt nach dem Essen von Kid A – ich würde wegen Respektlosigkeit kündigen.
— Fabian Soethof (@soethof) 22. August 2015
Kinder können durchaus schon sehr früh sehr viel Nützliches erledigen. Zum Beispiel ihre Eltern. #puh #nkatb
— Fabian Soethof (@soethof) 8. Juli 2015
Was ich mir in den nächsten Jahren für Dich wünsche? Gesundheit, Glück, gute Freunde (und Eltern) und jede Menge Spaß und Spiel, versteht sich. Und dass Du Dir Deine Offenheit, Deine gute Laune, Deine Liebenswürdigkeit, Deine Verschmitztheit und Deinen Schalk im Nacken bewahrst. Was Du Dir in den nächsten Jahren von uns wünschst? Gute Frage. An Liebe, sauberer Kleidung, genug Essen und Bilderbüchern soll es jedenfalls nicht mangeln. Nun, wenn Du das hier lesen kannst ist es kein Geheimnis mehr und längst Vergangenheit: Zum zweiten Geburtstag wirst Du Deinen heiß geliebten Bagger geschenkt bekommen haben. Bist im Grunde eben auch nur ein Junge wie jeder andere. Aber der Beste auf der Welt.
Dein Pabba
*regelmäßigere Leser wissen, dass Kid A das Blogpseudonym meines Sohnes ist. Natürlich hat er auch einen richtigen Namen.
Lieber Papa von Kid A, das ist ein ganz wunderbarer Brief. Nun selbst Mama von einem kleinen Räuber kann ich vor allem die schattigen Seiten, die Du beschreibst, noch besser teilen. Aber freuen wir uns nun mal ordentlich über die strahlende Sonne mit Windel drum! Beste Grüße und in schlammigen Hurricane-Erinnerungen schwelgend D.