„BurgerPommes auf die 1!“

Mit dem „BurgerPommes Song“ landeten der YouTuber LukasBS und seine Freunde einen Schulhof-Viralhit. Aber wen oder was ziehen sich die Kinder da eigentlich rein? Für den „Tagesspiegel“ habe ich mit dem Influencer Lukas Wolf und seiner Agentur über „Brawl Stars“, Werbungskennzeichnung und elterliche Mitverantwortung gesprochen.

Der Star von Millionen Acht- bis 15-Jährigen: YouTuber Lukas Wolf aka LukasBS (Foto: LunyOne)

+++ Im Folgenden lest Ihr die unredigierte Langversion meines Textes, der im Oktober unter der Headline „Die Geschichte hinter dem Ohrwurm: Singen Ihre Kinder auch nur noch den BurgerPommes Song?“ gekürzt auf Tagesspiegel Plus erschien. +++

Ein knallorangener Lamborghini fährt vor, das McDonald’s-Logo im Hintergrund. Drei Sekunden später: Produkt-Einblendungen von Takis Chips, Prime-Drinks, Paulberger Limo und Happy Meals. Drei männliche Mittzwanziger und ein Kind fordern im Refrain sprechsingend: „Burger Pommes auf die 1, schieb die Pommes in den Burger rein!“ In weiteren Szenen des Musikvideos, um das es hier geht, tut eine Schulklasse eben das. Neunjährige heben die Arme auf und ab wie in einem HipHop-Track. Sie tragen Hoodies mit demselben Logo und besuchen eine Filiale ihres angeblichen Lieblings-Restaurants. Vor Greenscreen-Hintergrund fliegen Hamburger durch die Gegend. LOL? Oder eher WTF?

Eltern, die dieses Lied kennen, haben vermutlich Kinder im Grundschulalter, die YouTube gucken und Appgames auf dem Smartphone zocken dürfen – oder die wiederum Freunde, die sie zuschauen lassen. Schließlich ist die Nutzung offiziell erst ab 13 Jahren erlaubt. Der „BurgerPommes Song“ aber ist ein U-13-Viralhit. Erschaffen haben ihn die reichweitenstarken YouTuber Lukas BS, MarvinVlogt und iCrimax, ihr Sidekick Leontin ist unter dem Namen „Kleiner Junge“ ebenfalls zu sehen. 

Die dürftige Qualität von Musik und Text tut dem Erfolg keinen Abbruch: Seit Veröffentlichung im April 2024 zählt der Clip über 23 Millionen Aufrufe auf YouTube. Im November schoben sie den „BurgerPommes 2 Song“ nach. Die Kommentare unter dem nicht ganz ernst gemeinten Disstrack lauten etwa „Mein Opa sitzt seit 15 Jahren im Rollstuhl, ich habe das Lied angemacht und mein Opa ist aufgestanden, um es auszumachen. Danke Lukas!“ oder „sogar Leute aus Frankfurt holen nach dem Song ihren Schulabschluss nach.“ Die Entstehung des „BurgerPommes Song“ verlief so banal oder, Zitat, „random“, wie man sie sich vorstellt.

„Brawl Stars“, „Roblox“, „Minecraft“, Pranks: Gedreht wird, was ankommt

LukasBS heißt eigentlich Lukas Wolf, ist 25 Jahre alt und lebt in Mannheim. Er sitzt mit Kopfhörern im Gaming-Sessel vor einer grünen Wand in seinem eigenen Studio und erinnert sich: In einer Phase, in der er vermehrt Real-Life- anstatt Gaming-Videos gedreht habe, hätte eine Fastfood-Filiale oft als Kulisse gedient, „einfach deswegen, weil McDonald’s bei den Zuschauern immer gut ankommt. Wir haben irgendwann angefangen, mehrere Burger übereinander zu stapeln oder auch mal Pommes reinzustecken. Dann haben wir einfach so gesagt, das ist jetzt Burger Pommes. Das haben die Zuschauer irgendwie sehr gefeiert. Dann haben wir das als Insider immer öfter erwähnt und irgendwann gesagt, alle sollen #BurgerPommes in die Kommentare schreiben. Daraus ist dann dieser Merch entstanden, der Song und so weiter.“

Ganz normaler Typ, der mit Let’s-Play-Videos auf YouTube und Merchandise ganz gutes Geld verdient: Lukas Wolf aka LukasBS (Foto: LunyOne)

Das „BS“ in Wolfs Usernamen steht für „Brawl Stars“ – ein unter Kindern und Jugendlichen beliebtes Multiplayer-Online-Spiel, das wegen seiner InApp-Käufe und täglichen Belohnungen auch in der Kritik steht. Als sogenannter „Let’s Play“-YouTuber filmt er sich selbst beim Zocken dieses Spiels, früher auch von „Minecraft“ und heute „Roblox“, reagiert auf die Videos anderer Leute und kommentiert jeden Schritt scheinbar aufgeregt in Superlativen: „Übertrieben! LOL! Krass! Habt Ihr das gesehen? Geisteskrank, Leute!“ Aus seinem Hobby, das er schon als 13-Jähriger mit Uploads ohne Facecam begann, ist heute sein Beruf geworden. 

Jeden Tag skriptet, plant, dreht und veröffentlicht Wolf einen neuen Clip, beschäftigt zwei Cutter und einen Thumbnail-Designer. Über 3000 Videos seien so schon entstanden, sagt er. Zunehmend produziere er auch Inhalte ohne Gamingbezug, Challenges oder Selbstversuche etwa, zum Beispiel über einen Besuch im Wasserrutschen-Park.

Seine Beliebtheit erklärt er sich durch konstante Arbeit: „Ich habe täglich versucht, die besten Videos zu ‚Brawl Stars‘ zu machen, die es so in Deutschland gibt“. Klicks seien bei der Messung des monetären Erfolgs wichtiger als Abo-Zahlen, verrät er. Und trotz Erweiterung seiner Geschäftsfelder vom künstlich verknappten Fanpaket-Verkauf eigener BurgerPommes-Hoodies und Eisteesorten bis hin zu Büchern, die zu Bestsellern avancierten, bliebe YouTube-Werbung seine Haupteinnahmequelle. Was er mit alldem verdient, verrät er nicht.

Niclas Seebode ist Co-Geschäftsführer der Influencermarketing-Agentur LunyOne, die als Management neben Jo Jonas, Co-Gründer Puuki und dutzender weiterer „Talents“ auch Lukas Wolf vertritt. Er erklärt, dass sogenannte „Long Form“-Content-Creators in der Größenordnung, in der Lukas agiert, theoretisch durchaus einen siebenstelligen Umsatz pro Jahr generieren könnten. Ein Problem sehen beide in Markennamendropping, Product Placements in eigener Sache oder offensiven Verkaufstaktiken nicht, eine moralische Gratwanderung durchaus. Seebode sagt, man halte sich an alle juristischen und branchenüblichen Standards und Kennzeichnungspflichten. Die Verantwortung, was Kinder schauen dürfen und was nicht, läge zwar bei deren Eltern. Die müssten sich aber auch inhaltlich keine Sorgen machen, da von LunyOne vertretene YouTuber sich vertraglich dazu verpflichteten, keine politischen oder jugendgefährdeten Inhalte zu produzieren. Und Wolf betont, dass er von McDonald’s wirklich keinen Cent oder Gratisburger als Gegenwert erhalten habe: „Alles nur ein harmloser Witz. Auf YouTube ist ein Track von zum Beispiel Capital Bra, der über Drogen rappt, auch für Kinder unter 18 ansehbar. Meiner Meinung nach ist es weniger schlimm darüber zu singen, dass man Pommes in den Burger steckt und gerne zu McDonald’s geht.“

Der „Burger Dance“ der Generation Alpha

McDonald’s, Limonadenmarken befreundeter YouTuber, importierte Süßigkeiten und das eigene Merch als die eigene Version von dem, was HipHopper in ihren Texten mit Prada, Gucci, Louis Vitton und Co. anstellen: Nur so lässt sich erklären, dass Videos wie die von Lukas BS nicht als Dauerwerbesendung gekennzeichnet sind. Wenn man so will, ist der „BurgerPommes Song“ der „Burger Dance“ der Generation Alpha.

In jener Schlagerpop-Kindertanznummer aus dem Jahr 2003 zählte DJ Ötzi zur „A Ram Sam Sam“-Melodie die Namen diverser Fastfood-Ketten auf. Und Influencer sind nun mal die neuen Popstars.  Der US-Amerikaner MrBeast ist heute genreübergreifend der reichweitenstärkste YouTuber der Welt. 2012 fing er mit „Let’s Play“-Videos an. In Deutschland heißen dessen Nachkommen Gronkh, ClashGames, Einfach Gustav, HeyMoritz, Gnu, Paluten, Arazhul, HandOfBlood oder PapaPlatte. iCrimax, der BurgerPommes-Brudi von Lukas, vertreibt unter dem Namen Paulberger seine eigene Limonade. Auf der diesjährigen Gamescom, der größten Videospielmesse der Welt, leistete er sich einen eigenen Stand, der mit unschuldigem Limoverkauf und Giveaways nicht viel gemein hatte: Hunderte Fans und deren Eltern drängten sich davor, wann immer er mal kurz für Selfies mit Sonnenbrille selbst vorbeischaute. Eine Art Ronaldo des deutschen Gaming-Betriebs.

Meet and Greet und Merchverkauf

Auch Wolf und sein Kumpel Marvin steigen in den Eventbereich ein. Im Frühjahr feierte die  „BurgerPommes Show“ in der Essener Grugahalle Premiere. Ende Oktober traten sie im Berliner Tempodrom auf. Ein Ticket kostete im Vorverkauf rund 50 Euro, erwachsene Begleitpersonen zahlten denselben Preis. Limitierte VIP-Tickets, mit denen sich Fans ein Selfie, Smalltalk, Autogramme, Merch-Vorkaufsrecht und eine kleine Warm-Up-Show vor Beginn des Hauptprogramms sichern konnten, wurden für 99 Euro Aufschlag auf die eigentliche Eintrittskarte verkauft.

Die Ticketpreise seien der Hallenmiete geschuldet, sagt Wolf. Und die VIP-Kosten? „Ich muss selbst zugeben, dass es viel Geld ist. Trotzdem wünschen Eltern sich diese Möglichkeit, weil ihre Kinder uns treffen möchten. Diese Aufmerksamkeit kostet Zeit.“ Bei ihrer ersten Show in Essen seien diese Spezialtickets günstiger gewesen, viele landeten im Vorfeld daraufhin zu überhöhten Preisen auf dem Schwarzmarkt. Die durch Preis und reduzierte Anzahl gestiegene Exklusivität soll dies nun verhindern, argumentiert Wolf. Alle paar Monate gebe er zudem komplett kostenlose Signierstunden, zum Beispiel in Buchhandlungen.

Einen langfristigen Plan verfolgt Lukas Wolf nicht. Falls seine Channels eines Tages nicht mehr laufen, weil zum Beispiel keine Zielgruppe nachwächst, er trotz Veränderung keine neue erreicht oder YouTube durch Reglementierung an Relevanz oder Reichweite verliere, will er vielleicht als Streamer, Webvideoproduzent oder Grafikdesigner weiterarbeiten – oder andere Content Creators beraten. Was er Kindern und Jugendlichen rät, die selbst von einem Job wie seinem träumen? „Hauptsache Schule erstmal gut abschließen, dass man sich die Chancen nicht so verbaut und dann kann man auf jeden Fall seinen Traum verfolgen. Bei mir war das halt YouTube, deswegen habe ich das gemacht und es hat zum Glück geklappt.“

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