Streaming-Tipp: „My Own Man“ auf Netflix

Wie männlich muss ein Vater sein? Der Filmemacher David Sampliner hat sich diese Frage gestellt – und dabei auch seinen eigenen Vater neu kennengelernt.

David Sampliner, hier mit seinem Vater James, hat noch einen älteren Bruder und eine Schwester. In seinem Film kommen sie alle zu Wort. (Screenshot / Netflix)
David Sampliner, hier mit seinem Vater James, hat noch einen älteren Bruder und eine Schwester. In seinem Film kommen sie alle zu Wort. (Screenshot / Netflix)

Als Vater ist man jeden Tag auf der Suche. Nach dem zweiten Gummistiefel, diesem einen bestimmten Bilderbuch, der Keksdose, der verlorenen Zeit oder bloß einem bisschen Ruhe, zum Beispiel. Dass Väter oder solche, die es mal werden, zwischen all der neuen Verantwortung auch ihre Männlichkeit suchen, ahnte ich bisher höchstens durch Buchpublikationen wie Jesper Juuls „Mann & Vater sein“. Bis ich neulich die schon 2015 erschienene Netflix-Doku „My Own Man“ sah.

David Sampliner nämlich hat sich die Frage nach seiner eigenen Männlichkeit gestellt. Der Filmemacher sah sich zwei einschneidenden Wendepunkten in seinem Leben konfrontiert: Erstens stand sein 40. Geburtstag bevor. Zweitens erwartete seine Freundin von ihm ihr erstes Kind. David würde bald Vater werden – fühlte sich dieser Rolle, in der es doch darum ginge, ein männliches Vorbild zu sein, partout nicht gewachsen. Ein Gefühl, das ihn schon immer verfolgte.

Für seine Dokumentation über sich selbst hat Sampliner sein Umfeld ausgefragt, sich selbst beobachtet und gelernt: Nein, ein Alpha-Mann war er wirklich noch nie. Dies attestiert ihm etwa einer seiner alten Kumpel. Ein anderer alter Freund von Sampliner, der ziemlich berühmte Schauspieler Edward Norton, fühlte sich ihm zu Schulzeiten nicht nur verbunden, er griff dem Projekt gleich als ausführender Produzent unter die Arme. Im Grunde macht es Sampliner wie einst der deutsche Journalist Christoph Koch in seinem Buch „Chromosom XY ungelöst“ und sucht seine Männlichkeit mit der Brechstange. Er nimmt an einer „New Warrior Ceremony“ im Wald teil. Er zieht los zum Schießtraining, schlägt sich mit der Waffe wegen ihres Rücklaufs prompt die eigene Stirn blutig und erlegt schließlich ernsthaft einen Hirsch vom Hochsitz aus. Schon die Waffe mache ihn männlicher, behaupten die Hobbyjäger in der Hütte. David ist nach seiner Tat immerhin froh, das Tier direkt getötet zu haben, sodass es kaum leiden musste. Deren wenig hilfreiche Reaktion: „Du hast ein Tier getötet, dass du essen kannst. Darauf solltest du stolz sein und keine anderen Gefühle hegen.“

Zu Beginn von „My Own Man“ denkt man als Zuschauer noch, Sampliners Vater sei sein großes Vorbild. Im weiteren Verlauf spürt man, wie der Filmemacher selbst, das Gegenteil: „Der Film ist in Wahrheit über uns beide, glaube ich“, sagt der Ich-Erzähler an einer Stelle zu seinem Vater, einem Arzt in Rente, und plötzlich kommt erstmals sowas wie ein wirklicher Dialog zwischen den beiden auf: Sampliner Senior spricht vom „big change“ seines Lebens, als seine Kinder kamen. Die Windeln aber habe er nie gewechselt. „Ich hätte es getan, aber ich mochte es nicht“, sagt er und gibt gegenüber seinem Sohn und vor der Kamera zu: „Kinder haben das Leben deiner Mutter mehr geändert als meines.“

Dass Kinderkriegen ein „big change“, eine große Veränderung im eigenen Leben markiert, das stimmt, das weiß sogar Sampliners Alpha-Kumpel: „You can’t deal with bullshit, you deal with life now“, sagt er, was frei übersetzt soviel bedeutet wie: Das sorgen- und verantwortungslose Leben ist nun vorbei.

Ich spoilere nicht zuviel, wenn ich sage, dass Sampliner den Frieden mit sich, seinem Vater und seiner Situation schließt und ein Fazit des Filmemachers verrate: „In den frühen Monate gehören Sanftmut und Weichheit sowieso zur Jobbeschreibung eines  Vaters.“

Eigentlich müsste an dieser Stelle wohl noch ein Absatz darüber folgen, was ich durch die Doku „My Own Man“ über mich selbst als Vater und Mann gelernt habe. Dass ich zum Beispiel weiß, dass auch ich oft mit Frauen noch besser klarkomme als mit Männern. Dass ich definitiv kein Alphatier bin und das gar nicht schlimm finde, meine Frau angeblich auch nicht. Dass sich meine Gruppenerfahrungen mit Männern auf Junggesellenabschiede und das Basketballtraining als Jugendlicher beschränken. Aber all das würde hier und jetzt zu weit führen. Ich muss doch noch das olle Conny-Büchlein „Jakob, Haare waschen! (Kleiner Jakob)“ wiederfinden, das Kid A so gerne liest!

>>> „My Own Man“ auf Netflix im Stream

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