Mist, Elternvertreter!

Kleines Mitbringsel vom Elternabend: Ich habe jetzt ein quasi politisches Amt inne. Wie konnte es bloß soweit kommen?

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Oh, der Elternabend um 15:30 Uhr wurde ja doch als Elternnachmittag angekündigt.

Im ersten Moment dachte ich, es wäre etwas mit Kid A passiert. Ob „Papa“ fünf Minuten Zeit hätte, fragte mich die Erzieherin, nachdem ich meinen Sohn Montagfrüh in seine „Meisen“-Gruppe brachte. Sie wolle kurz mit mir reden. In Sekunden rasten diverse Szenarien durch meinen Kopf: Gab es letzte Woche eine Schlägerei? Wurde bei unserem Kind ein seltener Sprach-, Lern- oder Wachstumsfehler entdeckt? Oder haben wir gar schon wieder neue Windeln und Obst vergessen?

Es kam scheinbar noch schlimmer: Ob ich mich beim bevorstehenden Elternabend nicht zum Elternvertreter wählen lassen möchte, fragte die Erzieherin mit einem Rehblick, den sie sich bei den Kids abgeguckt haben muss. Elternvertreter? Ich? Was habe ich getan?

Glaubt man diversen Kommentaren auf Twitter, auf Viralschleudern und in einschlägigen Blogs wie diesem hier, gleicht so ein Posten für viele Eltern der Hölle auf Erden. „Danke für die Anfrage“, antwortete ich artig, ich würde es mir bis morgen überlegen. Mir dämmerte schon in diesem Moment: Aus der Nummer kommst du nicht mehr raus. Die Situation gleicht einer Zwickmühle wie der, dass dich Bekannte fragen, ob du Patenonkel ihres Kindes werden willst – „Nein“ sagen gehört sich einfach nicht bei einem derartigen Vertrauensausspruch. Erschwerend hinzu kommt, dass ich im Schulsport immer als letzter in die Mannschaften gewählt wurde. Mein Ego versteht in solch schmeichelnden Anfragen deshalb späte Rache. Ich kann ihm und mir da kaum helfen.

Bevor ich am nächsten Tag zusagte, fragte ich sicherheitshalber meinen Vorgänger Alf, welche Aufgaben denn so auf mich zukämen. „Man ist Sprachrohr der anderen Eltern gegenüber den Erzieherinnen und ggf. der Kita-Leitung und hilft bei der ein oder anderen Veranstaltung mit (Vor- und/oder Nachbereitung). Zeitaufwendig ist dies nur, wenn man es sich zeitaufwendig macht“, versicherte er mir und schob einen beruhigenden Zwinkersmiley hinterher. Überschaubar klingt das tatsächlich: Eltern sind ja im Regelfall erwachsene Menschen, die bei Einzelproblemen die Erzieher selber ansprechen können und werden. Hoffentlich!

Ob ich denn noch was wissen müsse, fragte ich einen Tag vorm Elternabend eine andere Erzieherin, die sich nahezu euphorisch und in vorauseilendem Gehorsam für meinen Einsatz bedankte. „Wir sagen ein paar Worte zu den Aufgaben und stellen Sie vor, die Fragen folgen dann“, erklärte sie knapp und zweckoptimistisch, außerdem habe man noch eine Mutter gefragt, ich machte den Job also nicht alleine. Nennt man wohl beidseitiges Schönreden, das.

Beim Elternabend selbst – vier Tage nach der überraschenden Anfrage und nachmittags um 15:30 Uhr – war alles halb so wild. Nach dem ersten Programmpunkt „Vorstellung“ und dem zweiten Programmpunkt „Film“ (ein vierzigminütiger (!) Zusammenschnitt von Szenen aus dem Kita-Alltag) folgte der dritte Programmpunkt „Elternvertreter“. Die Wahlen standen denen in der DDR in nichts nach: Man habe sich uns ausgeguckt, sagte eine Erzieherin stellvertretend für ihre Kolleginnen. Ja, die Elternvertreter seien gegebenenfalls Vermittler sowie Ansprechpartner und gingen alle paar Monate zudem zur Gesamt-Elternvertretung der Kita. Und wenn jemand nun was gegen die vorgestellten Kandidaten habe, könne er das gerne sagen. Es meldete sich selbstverständlich keiner. Erstens kennen sich die Eltern untereinander so gut wie „Big Brother“-Bewohner am ersten Tag, zweitens würden es gerade die Eltern der Kinder, die noch oder bald erst in der Eingewöhnung stecken, nie wagen, sich gegen einen unverbindlichen Vorschlag derer zu stellen, die sich bis zu neun Stunden am Tag um ihre Babys kümmern. Zum mutmaßlichen Wohle der Kleinsten, und nicht, dass ihnen doch noch wer den hart erkämpften Krippenplatz streitig macht!

Um die peinliche Stille aufzulösen, danke ich den anderen Eltern für ihr Vertrauen. Die eine wichtige Aufgabe der Elternvertreter, nämlich das regelmäßige Sammeln von kleinen Spenden, übernimmt die andere Wahlsiegerin. Meine Hauptaufgabe besteht vorerst darin, einen E-Mail-Verteiler aufzusetzen. Liebe Nichtwähler: Das kriege ich hin. Irgendwann. Für die Kinder! Ein Bullshit-Bingo blieb übrigens aus, größter Diskussionspunkt in der abschließenden Fragerunde war der Wunsch einiger Eltern, das Personal bitte duzen statt siezen zu dürfen und umgekehrt. Komisch, denke ich, „Sie, Papa“ und „Sie, Mama“ funktioniert als Höflichkeitsform nur halbwegs. Fortan lieber bitte „Herr Elternvertreter“!

 

 

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