Kiezväter (13): Alf mit Ava

Was Väter durch den Kiez treibt, heute: Alf mit Ava in Berlin-Neukölln. Morgens auf dem Weg zur Kita.

Das sind Alf und Ava.
Das sind Alf und Ava. Bunt, oder?

Das da oben sind Alf (links) und Ava aus Nord-Neukölln. Alf ist 32 Jahre alt und arbeitet als Online-Redakteur und Social-Media-Berater, außerdem bloggt er selbst unter grossvrtig.de (über nachhaltige Mode und Kinderklamotten). Ava ist zwei Jahre und wird gerade von ihrem Vater in die Kita gebracht. Da es sich dabei vollkommen zufällig um die gleiche Kita handelt, in die ich jeden Morgen Kid A bringe, schießen wir nur das Foto auf dem Bürgersteig. Mehr über sein Leben als junger Vater in Berlin und somit über Kitasuche, Elternzeit und die App der „Sendung mit der Maus“ erzählt Alf mir später bei einem Kaffee.

Du hast gerade Deine Tochter in den Kindergarten gebracht, Alf. Wie regelmäßig kommt das vor?

Alf: Fast jeden Tag, da ich eh zur Arbeit muss und von der Kita aus gleich weiterfahren kann. Es ist ein Ausgleich für mich. Meine Freundin Christina holt Ava nachmittags ab und hat Zeit mit ihr. Abends bringe ich sie außerdem so oft wie möglich ins Bett, wenn wir nicht gerade was vorhaben. So habe ich auch noch was von ihr, obwohl ich erst gegen 19 Uhr nach Hause komme.

Hast Du das Gefühl, Deine Tochter oft genug zu sehen?

Es ist ein okayes Level, weil ich auch einen Job haben könnte, in dem ich noch mehr arbeiten muss. Im Moment habe ich die Flexibilität, auch mal erst um 10 Uhr da sein oder um 17 Uhr gehen zu können. Oder Home Office zu machen. Was ich aber für einen Mythos halte: dass man Familie und Beruf wirklich vereinbaren kann. Freiberuflich noch eher, aber bei einer klassischen 40-Stunden-Woche hat der Job eben ein Übergewicht. Dementsprechend vernachlässigst du deine Familie, auch wenn du das gar nicht willst. Gerade beim ersten Kind ist es ungemein schwierig, alles halbwegs in Einklang zu bringen. Ich hätte gerne noch viel mehr Zeit.

Man organisiert in einer Tour. Ihr habt beide keine Verwandten in Berlin, was es nicht leichter macht. Wie hast Du Dir Deine Elternzeit genommen?

Elternzeit hatte ich für sieben Monate, soviel fand ich super. „Viel“ im Vergleich zu Vätern, die nur zwei Monate Elternzeit nehmen, weil sie nicht mehr wollen oder können. Ich war die ersten zwei Monate nach der Geburt zuhause, danach ein halbes Jahr arbeiten und dann, als Christina wieder in den Job ging, nochmal vier Monate zuhause. Die Kita-Eingewöhnungszeit habe ich zudem drangehängt.

Für Deinen Arbeitgeber war das kein Problem?

Sie haben sich relativ schnell darauf eingelassen. Für sie wäre es noch weniger ein Problem gewesen, wäre es am Stück gewesen. Zwei Monate allein gehen auch noch, das ist kaum mehr als ein verlängerter Urlaub. Letztlich lässt sich das aber, egal in welchem Job, immer miteinander vereinbaren, wenn man will – und wenn der Arbeitgeber das möchte.

Du verstehst also Väter nicht, die sagen, dass sie sich Elternzeit zum Beispiel wegen ihrer verantwortungsvollen Position nicht erlauben könnten?

Das ist zu 90 Prozent eine persönliche Entscheidung, die man da trifft. Wenn man seinem Arbeitgeber glaubhaft vermitteln kann, dass es einem wichtig ist, sein Kind in den ersten Monaten zu begleiten und zu erleben, dann kriegt man das auch durchgesetzt. Nicht umsonst gibt es auch positive Beispiele von Führungskräften in Elternzeit sowie Modelle, die man ausprobieren kann und die für Unternehmen günstig sind.

Nach Deiner Rückkehr hattest Du nicht den Eindruck, zu viel verpasst zu haben?

Nee gar nicht. Von anderen Vätern weiß ich, dass es fast immer gleich abläuft. Anfangs denkst du dir: geil, Elternzeit. Man legt los, vermisst aber ein bisschen den Job, weil man im Berufsalltag teilweise über Jahre drin steckte. Irgendwann kommt der Punkt, an dem man die Elternzeit richtig zu genießen anfängt. Eine Zeit, in der man nichts planen muss. Du stehst morgens mit deinem Kind auf und überlegst dir was du machst.

Aber Stress ist es auch. Das Vorurteil vom bezahlten langen Urlaub greift zumindest ja wohl kaum.

Das ist kein verlängerter oder nett bezahlter Urlaub, nein. Du hast eine zusätzliche Verantwortung und einen zusätzlichen Job. 24/7 bist du für dein Kind da, weil es dich ja braucht. Das ist auch eine Form von Arbeit, aber die wird komplett anders entlohnt (lacht).

Würdest Du bei einem eventuellen zweiten Kind mehr, weniger oder genauso viel Elternzeit nehmen?

Ich würde es, aus dem jetzigen Standpunkt heraus, ähnlich machen. Weil gerade die Zeit am Anfang so wichtig ist. Die Beziehung zur Mutter ist ja sowieso von Beginn an superstark gegeben. Ava merkte während meiner Elternzeit irgendwann: Oh, cool, der ist jetzt vier Monate am Stück jeden Tag und jede Minute für mich da. So entsteht eine andere Bindung als: Cool, da kommt mal abends jemand. Ich möchte gerne ein Vater sein, der da ist. Der viel Zeit mit seiner Tochter verbringt, solange sie das will. Wird sich ja früh genug ändern.

Klingt ja alles toll. Aber bestimmt vermisst Du auch Dinge aus der Zeit, als Du noch kein Kind hattest, oder?

Doch, definitiv. Alles wird zwar dadurch kompensiert, dass man nun dafür Vater sein darf. Es ist aber eben auch wirklich furchtbar anstrengend und frisst extrem viel Zeit und Energie. „Spontane“ Sachen wie Kino, Kneipe oder Wochenendtrips werden schwieriger. Bei uns hat es lange gedauert, bis wir wieder entspannt Freunde treffen konnten. Mussten uns daran gewöhnen, dass wir jetzt zu dritt sind. Es belastet Körper und Geist, ständig an 1000 Sachen denken und bei jedem Pups Sorgen haben zu müssen.

Ihr kommt nicht ursprünglich aus Berlin. Was findest Du in Berlin toll für Eltern und Kinder, was scheiße?

Wir haben ja den „Vorteil“, im Sodom und Gomorra Deutschlands zu leben – mitten in Neukölln. Von außen betrachtet wird der Stadtteil immer nur mit Moscheen, Hasspredigern, Buschkowsky – jetzt ja nicht mehr – und ähnlichen Dingen assoziiert. Christina lebt seit acht Jahren hier, ich seit vier Jahren. Unser aufgebauter Freundeskreis macht vieles leichter. Der Kiez selber ist relativ familienfreundlich. Du hast wahnsinnig viele Spielplätze, Cafés und Parks um die Ecke. Noch mehr grün, ja, das wäre schön. Zieht man also mal weg, an den Stadtrand? Oder in eine ganz andere Stadt?

Spielt die Schulwahl bei solchen Fragen eine Rolle? Wollt Ihr Eure Tochter später in Neukölln zur Schule schicken?

Gefragt haben wir uns das schon mal. Die nächsten drei Jahre mindestens ist Kita angesagt. Danach musst du dir die Schulen, in deren Einzugsgebiet du wohnst, anschauen. Ob die Rahmenbedingungen passen, die Zusammensetzung der Klassen, wie die Lehrer sind und wie viele. Mehrere Freunde von uns haben sich entschieden, woanders hinzuziehen. Wir haben nun mit der ehemaligen Problemschule „Rütli“, die ja jetzt EU-gefördert ist, gleich um die Ecke ein Modellprojekt. Angesehen habe ich sie mir aber noch nicht.

Wie verlief denn Eure Kita-Suche und wie zufrieden seid Ihr nun?

Entgegen dem Klischee standen wir auf keinen 100 Wartelisten. Wir mussten auch nicht bei jeder Kita fünfmal pro Woche vorbeikommen. Wir waren eigentlich viel zu spät dran, sind nicht bereits vor Avas Geburt in die Kitas gegangen. Wir steckten mitten in der Elternzeit und aus beruflichen Gründen war uns klar, dass Ava ab einem Jahr in die Kita müsste. Wir hatten uns vier Kitas angeguckt, vier Plätze angeboten bekommen und so den Luxus, uns das Wann und Wo aussuchen zu können. Nach anfänglichen Fragezeichen, die man wohl immer hat, sind wir mit der jetzigen Kita sehr zufrieden. Weil Ava sich extrem wohlfühlt, mit ihren kleenen Freunden dort unterwegs ist und auch das Verhältnis zu den Erzieherinnen wirklich gut ist. Es gibt immer was zu verbessern, klar, auch der Betreuungsschlüssel, der bei den Kleinen vergleichsweise gut ist, könnte noch besser sein. Unsere Kita würde gerne mehr Personal einstellen, offenbar aber will sich keiner in Neukölln einstellen lassen. Was für die, die hier leben, manchmal komisch ist.

Aber auch im Wandel steckt.

Ja, weil man natürlich auch hier die Gentrifizierung der letzten acht Jahre extrem zu spüren bekommt. Und man sieht welche Familien hier nicht mehr wohnen und eher in die Randbezirke verdrängt werden. Welche Kleinfamilien, Singles oder Künstler aus aller Welt plötzlich in den Kiezen leben – es ist ein krasser Prozess.

Letzte, ganz andere Frage: Wie nutzt Du als Vater (und Social Media-Berater) Smartphones und Social Media? Gibt es zum Beispiel Apps, die Dich durch die Schwangerschaft oder die ersten Monate mit Kind brachten?

Was man als Eltern erst im Nachhinein realisiert: wenn das Kind so sozialisiert ist wie ein Großteil unserer Generation, hat es immer mit elektronischen Geräten zu tun. Das Smartphone ist der Begleiter schlechthin. Man macht damit Fotos, Sprachaufnahmen, telefoniert, checkt Mails. Das merkt auch das Kind und kann dann nicht verstehen, warum es das Telefon, das ja offensichtlich Teil der Familie ist, nicht auch in der Hand haben darf. Man regt sich plötzlich darüber auf, warum das Kind das Smartphone haben will, obwohl man es selber andauernd anstarrt. Wir haben gemerkt: Fotos angucken ist für Ava sehr wichtig. Also haben wir Fotobücher von Geburtstagen und Familientreffen erstellt. Fotos, die wir von ihr zum Beispiel gerade auf dem Spielplatz gemacht haben, will sie sich mittlerweile gleich angucken. Finde ich auch in Ordnung.

Und Apps?

Es gibt einige Apps für Kinder ab 2 oder 3 Jahren. Richtig gut finde ich aus einer professionellen Perspektive heraus die App von der „Sendung mit der Maus“. Cool gemacht, schöne Gimmicks. Manchmal extrem schnell für die Aufnahme des Kindes. Gibt ja auch Studien, dass Kinder iPhones angeblich nicht in der Hand halten dürfen, weil es irgendwas mit den Handgelenken macht oder das Gehirn schneller wächst als es soll, wegen all der Eindrücke. Andere Studien sagen aber wieder das Gegenteil. Die Lach- und Sachgeschichten überfordern aber nicht. Klar, man kommt auch ohne aus, gibt ja auch Bücher und Malsachen. Ich fände es aber komisch das komplett zu verbannen, wenn es doch so sehr zu der Generation dazu gehört.

3 Gedanken zu „Kiezväter (13): Alf mit Ava

  1. Ich finde die Beiträge an sich nicht schlecht…jedoch was auffällig ist das es meist „gewöhnliche,typische Berufe“ sind wo eine 40stunden Woche schon viel ist.ich selber bin koch und habe auch ganz schnell mal eine 60-70std.Woche.Habe selber zwei Kinder im Alter von 3monaten und vier Jahren und glaube sagen zu dürfen das es nicht einfach ist, dass unter einen Hut zu bringen und zeit für meine Kinder zu finden.was ich damit sagen möchte ist das bei solchen Umfragen meist normale jobber gefragt werden werden,die Dienstleister gerade die gastromen sind da meist aussen vor,wahrscheinlich weil die arbeiten wenn andere frei haben und zeit für solche Umfragen haben…ich habe auch noch nie mit bekommen das in der Gastronomie gestreikt wird,ich glaube wenn alleine mal die Köche in Berlin streiken würden,würden viele dumm aus der Wäsche gucken wenn sie in ihrer „Mittagspause“nichts zu essen bekommen…Und das sind dann die,die sich am meisten darüber aufregen und über die Arbeitszeiten in der Gastronomie noch nie drüber nachgedacht haben und wahrscheinlich auch kein Trinkgeld geben….MfG

    1. Hey Denis,

      da gebe ich Dir völlig Recht. Natürlich treffe ich in meiner Freizeit nur Väter, die zur gleichen Zeit Freizeit haben. Gerne würde ich auch mal mit Vätern reden, die einen ganz anderen Lebensentwurf haben als ich selbst – vielleicht ja mal mit Dir? Deinen Vorwurf bzgl. Trinkgeld lasse ich hier aber lieber mal dahingestellt. Darf ich denn fragen, wo genau Du kochst? Viele Grüße! fabian.

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